Deklaration und Umgang mit Interessenkonflikten in deutschen Leitlinien

Eine Untersuchung von S1-Leitlinien deutscher Fachgesellschaften der Jahre 2010 bis 2013

Deutsches Ärzteblatt, Jg. 112, Heft 26, 26.06.2015

Schott, Gisela; Lieb, Klaus; König, Jochem; Mühlbauer, Bernd; Niebling, Wilhelm; Pachl, Henry; Schmutz, Stephan; Ludwig, Wolf-Dieter

Zusammenfassung

Hintergrund

Interessenkonflikte der Autoren können Leitlinien beeinflussen. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) hat im April 2010 Empfehlungen zum Umgang mit Interessenkonflikten verabschiedet. Die Mehrzahl aller Leitlinien der AWMF sind S1-Leitlinien, die von Expertengruppen im informellen Konsens erarbeitet werden. Eine Untersuchung zum Umgang mit Interessenkonflikten bei S1-Leitlinien fehlt bislang.

Methoden

Auf der Homepage der AWMF wurden am 02.12.2013 aus 449 aktuellen S1-Leitlinien solche mit einem Stand vom 01.11.2010 bis 01.11.2013 ausgewählt. Angaben zu Interessenkonflikten wurden aus Leitlinientexten, Leitlinienreports und/oder Erklärungen zu Interessenkonflikten extrahiert und deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse

Untersucht wurden 234 S1-Leitlinien, an denen 2190 Experten mitgearbeitet hatten. Bei 7 % der Leitlinien (16/234) und 16 % der Autoren (354/2190) waren keine individuellen Erklärungen zu Interessenkonflikten einsehbar. Wenn Erklärungen vorlagen, wurden Interessenkonflikte häufig deklariert: in 98 % der Leitlinien (213/218) und von 85 % der Autoren (1565/1836). Am häufigsten handelte es sich um Mitgliedschaften in Fachgesellschaften/Berufsverbänden (1571/1836, 86 %). Die Hälfte der Autoren gab finanzielle Interessenkonflikte an (911/1836, 50 %). Sie waren prozentual häufiger an Leitlinien mit arzneitherapeutischem Schwerpunkt beteiligt als an Leitlinien ohne einen solchen Schwerpunkt (397/663, 60 % versus 528/1173, 45 %). Die Interessenkonflikte wurden bei 11 % (25/234) der Leitlinien bewertet und eine Konsequenz hieraus wurde in einem Fall gezogen.

Schlussfolgerungen

Bei S1-Leitlinien der AWMF wurden Interessenkonflikte überwiegend deklariert, jedoch nur selten von Dritten bewertet. Es sollte klar geregelt werden, welche Konsequenzen aus deklarierten Interessenkonflikten, auch aus nichtfinanziellen, zu ziehen sind.

Zitierweise

Schott G, Lieb K, König J, Mühlbauer B, Niebling W, Pachl H, Schmutz S, Ludwig WD: Declaration and handling of conflicts of interest in guidelines — a study of S1 guidelines from German specialist societies from 2010–2013. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 445–51. DOI: 10.3238/arztebl.2015.0445