Abhängigkeit von Flupirtin (Aus der UAW-Datenbank)

Deutsches Ärzteblatt, Jg. 106, Heft 7, 13.02.2009

Flupirtin (z. B. Katadolon®, Trancopal® Dolo) ist ein zentral wirkendes, nicht opioides Analgetikum, das zur Behandlung akuter und chronischer Schmerzen, wie schmerzhaften Muskelverspannungen, Spannungskopfschmerzen, Tumorschmerzen, Dysmenorrhö sowie Schmerzen nach Operationen und Verletzungen zugelassen ist (1, 2). Für die Therapie von Kreuzschmerzen erwies sich Flupirtin im Vergleich zu Placebo als nicht überlegen (3). Die Verordnungszahlen von Flupirtin haben 2007 gegenüber dem Vorjahr in Deutschland weiter massiv zugenommen (19,2 Mio. DDD; + 25,6 %) (4). Auf die Gefahr von Leberschäden unter Flupirtin hat die AkdÄ hingewiesen (5).

Nun wurde der AkdÄ über eine 33-jährige Patientin berichtet, bei der eine langjährige Schmerzmittelabhängigkeit von Flupirtin vorlag. Sie hatte es erstmals vor sieben Jahren wegen Rückenschmerzen eingenommen. Die Patientin berichtete, dass es nach der Einnahme jeweils zu einer verwaschenen Sprache, Konzentrationsstörungen und Gangunsicherheit komme, jedoch auch zu einem Gefühl der Zufriedenheit und der Euphorie. Deshalb habe sie sieben bis acht Tabletten zu je 100 mg pro Tag eingenommen (höchste empfohlene Tagedosis lt. Fachinformation: 600 mg). Zwei stationäre Aufnahmen zu einer Entzugsbehandlung hätten nicht zum Erfolg geführt, da sie nach der Entlassung jedes Mal innerhalb kurzer Zeit rückfällig geworden wäre. Wegen der Suchterkrankung mussten sogar ihre Kinder vom Jugendamt "fremdplatziert" werden. Damit war beim Vorliegen mehrerer Abhängigkeitskriterien (z. B. nach ICD-10 [6]) bei der Patientin die Diagnose einer Flupirtinabhängigkeit zu stellen.

In der Vorgeschichte der Patientin ist eine Essstörung mit einer Adipositas bekannt. Bei der Neuaufnahme konnte eine Entgiftungstherapie problemlos durchgeführt werden, ohne dass ein relevantes psychovegetatives Entzugssyndrom oder Schlafstörungen auftraten. Die Patientin war im Affekt euthym mit erhaltener Schwingungsfähigkeit.

Im deutschen Spontanmeldesystem (gemeinsame Datenbank von BfArM und AkdÄ, Stand: 01.12.2008) sind 579 Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen nach Gabe von Flupirtin erfasst. Die standardisierte Abfrage (Standardised MedDRA Query, SMQ) auf Arzneimittelmissbrauch, -abhängigkeit und Entzugssyndrom ergab 54 Meldungen zu Flupirtin. In den Fachinformationen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "keine Sucht erzeugt und keine Toleranzentwicklung verursacht" wird (1, 2). Die dargestellte Meldung deutet im Zusammenhang mit den anderen Fällen aus der Datenbank jedoch auf ein Suchtpotenzial von Flupirtin hin.

Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle) mit. Sie können dafür den in regelmäßigen Abständen im Deutschen Ärzteblatt auf der vorletzten Umschlagseite abgedruckten Berichtsbogen verwenden oder diesen aus der AkdÄ-Internetpräsenz www.akdae.de abrufen.

Sie können sich unter www.akdae.de/20 für einen Newsletter der AkdÄ anmelden, der auf neue Risikoinformationen zu Arzneimitteln hinweist.

Literatur

  1. AWD.pharma GmbH & Co. KG, Dr. Kade Pharmazeutische Fabrik GmbH: Fachinformation "Trancopal® Dolo". Stand: Juni 2008.
  2. AWD.pharma GmbH & Co. KG: Fachinformation "Katadolon®". Stand: Oktober 2008.
  3. AkdÄ: Empfehlungen zur Therapie von Kreuzschmerzen. 3. Auflage. Arzneiverordnung in der Praxis (Therapieempfehlungen), April 2007; Band 34, Sonderheft 2.
  4. Schwabe U, Paffrath D (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2008. Heidelberg: Springer Medizin Verlag, 2008.
  5. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: "Aus der UAW-Datenbank": Leberschäden unter Flupirtin. Dtsch Arztebl 2007; 104(46): A 3200.
  6. Kapitel V: Psychische und Verhaltensstörungen (F00–F99): Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (F10–F19). In: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, German Modification (ICD-10-GM), Version 2009. WHO, DIMDI 1994–2009.