Drug Safety Mail 2021-61

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) vom 04.11.2021

Guanfacin: Rebound-Hypertonie und posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom nach abruptem Absetzen

Der AkdÄ wurde der Fall eines 14-jährigen Jungen gemeldet, der wegen eines ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) mit Guanfacin 3 mg/d und Methylphenidat 20 mg/d behandelt wurde. Drei Tage nach abruptem Absetzen beider Arzneimittel durch den Kinderarzt entwickelte er Erbrechen und Kopfschmerzen. Zwei Tage später erfolgte die stationäre Aufnahme wegen eines protrahierten Krampfanfalls als Symptom eines posterioren reversiblen Enzephalopatie-Syndroms (PRES); hypertone Blutdruckwerte wurden beobachtet. Ein Zusammenhang mit dem Absetzen von Guanfacin wurde vermutet und dieses – zusätzlich zu antihypertensiver Medikation – in niedrigerer Dosierung wieder begonnen. Die Symptome besserten sich im Verlauf von Tagen.

Ein PRES kann sich durch akut oder subakut auftretende neurologische Symptome wie Kopfschmerzen, Sehstörungen, Übelkeit, Bewusstseinsstörungen oder Krampfanfälle manifestieren, häufig in Verbindung mit einem erhöhten arteriellen Blutdruck. Die Ätiologie ist nicht abschließend geklärt. Diskutiert werden unter anderem eine gestörte zerebrovaskuläre Autoregulation mit endothelialer Dysfunktion und vasogenem Ödem bei arterieller Hypertonie. Die Behandlung orientiert sich an den Symptomen sowie der vermuteten Ursache (1;2).

Guanfacin wird im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie zur Behandlung von ADHS angewendet (3). Als zentraler Alpha-2a-Rezeptoragonist wurde Guanfacin ursprünglich als Antihypertensium eingesetzt (4) und kann zu Hypotension führen (5). Ein abruptes Absetzen kann zu Rebound-Hypertonie führen (4;5), weswegen gemäß Fachinformation ein ausschleichendes Absetzen in Schritten von höchstens 1 mg alle drei bis sieben Tage empfohlen wird. Bei Dosisreduktion oder Absetzen müssen Blutdruck und Puls überwacht werden. Fälle von hypertensiver Enzephalopathie nach abruptem Absetzen wurden sehr selten beobachtet (3).

Literatur

  1. Chen TH: Childhood Posterior Reversible Encephalopathy Syndrome: Clinicoradiological Characteristics, Managements, and Outcome. Front Pediatr 2020; 8: 585.
  2. Fischer M, Schmutzhard E: Posterior reversible encephalopathy syndrome. J Neurol 2017; 264: 1608-1616.
  3. Shire Pharmaceuticals Ireland Limited: Fachinformation "Intuniv® 1 mg / 2 mg / 3 mg / 4 mg Retardtabletten". Stand: Juni 2020.
  4. Childress A, Hoo-Cardiel A, Lang P: Evaluation of the current data on guanfacine extended release for the treatment of ADHD in children and adolescents. Expert Opin Pharmacother 2020; 21: 417-426.
  5. Brown KA, Samuel S, Patel DR: Pharmacologic management of attention deficit hyperactivity disorder in children and adolescents: a review for practitioners. Transl Pediatr 2018; 7: 36-47.


  6.