Akute psychotische Reaktion nach Amoxicillin/Clavulansäure (UAW-News - International)

Deutsches Ärzteblatt, Jg. 106, Heft 1-2, 05.01.2009

Die fixe Kombination aus Amoxicillin und dem Betalaktamase-Hemmstoff Clavulansäure erweitert die Wirksamkeit von Amoxicillin auf betalaktamasebildende Stämme, z. B. von Staphylokokken, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis, Gonokokken und Anaerobiern. Amoxicillin/Clavulansäure ist geeignet zur Behandlung von Infektionen der Harn- und Atemwege sowie bei Haut- und Weichteilinfektionen. Die Kombination wurde 2007 mit 5 Mio. DDD verordnet, dies entspricht einer Steigerung von 8,4 % gegenüber dem Vorjahr (1). Neben dem typischen morbilliformen Exanthem fünf bis elf Tage nach Behandlungsbeginn können unter anderem weitere allergische Reaktionen und gastrointestinale Störungen als unerwünschte Wirkungen von Amoxicillin/Clavulansäure auftreten (2). Über Leberschäden im Zusammenhang mit dem Präparat hat die AkdÄ informiert (3).

Im "British Medical Journal" (BMJ) wurde über den Fall einer 55 Jahre alten Frau berichtet, die unter der Verdachtsdiagnose einer Pneumonie Amoxicillin/Clavulansäure erhielt (4). Nach einer ersten Dosis von 375 mg wurde die Patientin innerhalb von zwei Stunden desorientiert und verwirrt. Bei Vorstellung in einer Rettungsstelle hatte sich die Symptomatik wieder zurückgebildet. Nach erneuter Gabe von 750 mg Amoxicillin/Clavulansäure entwickelte die Frau ein agitiertes Bild mit optischen Halluzinationen, Verfolgungswahn und Sprachstörungen. Eine Röntgenaufnahme des Thorax, ein CCT sowie Serumelektrolyte und Liquor zeigten Normalbefunde. Laborchemisch waren keine Infekt- oder Entzündungszeichen nachweisbar. Ein Drogenscreening im Urin war negativ. Nach Behandlung mit Haloperidol und Midazolam verschwanden die Symptome. Eine psychiatrische Grunderkrankung konnte nicht festgestellt werden, sodass die Diagnose einer akuten medikamenteninduzierten Psychose gestellt wurde. Aus älteren Krankenakten ließ sich entnehmen, dass die Patientin nach einer Einzeldosis Amoxicillin/Clavulansäure zur perioperativen Prophylaxe schon einmal Halluzinationen entwickelt hatte. Das erneute Auftreten psychotischer Symptome bei Reexposition sichert im beschriebenen Fall den kausalen Zusammenhang zwischen dem Antibiotikum und der Symptomatik. Eine Überdosierung des Amoxicillin hat offensichtlich nicht vorgelegen, sodass der Pathomechanismus der Reaktion unklar bleibt.

Im deutschen Spontanmeldesystem (gemeinsame Datenbank von BfArM und AkdÄ, Stand: Dezember 2008) sind für die Kombination Amoxicillin/Clavulansäure 516 Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen erfasst. In 22 Fällen (4,3 %) werden psychiatrische Symptome genannt. So wird über Agitiertheit (viermal), Delirium (zweimal), Halluzination (zweimal), Verwirrtheitszustände (viermal) und Wahn (zweimal) berichtet. Da man in der britischen UAW-Datenbank zu Amoxicillin als Monosubstanz ähnliche Berichte über psychiatrische Nebenwirkungen findet wie zur Kombination mit Clavulansäure, gehen die Autoren des Fallberichts im BMJ davon aus, dass Amoxicillin und nicht Clavulansäure ursächlich für die Symptomatik der Patientin ist. Auch in der deutschen Datenbank findet man Berichte über psychiatrische Nebenwirkungen nach Amoxicillin. Bei insgesamt 978 Verdachtsmeldungen wird in 51 Fällen (5,2 %) von psychiatrischen Symptomen berichtet. Neben Agitiertheit (einmal), Halluzination (siebenmal), Verwirrtheitszuständen (sechsmal) und Wahn (einmal) werden Angst (fünfmal) und Psychose (zweimal) genannt.

In der Fachinformation von Amoxicillin/Clavulansäure werden unter unerwünschten Wirkungen auf das Nervensystem Kopfschmerzen und Schwindel als gelegentlich vorkommend und reversible Hyperaktivität, Angst, Schlaflosigkeit, Verwirrtheit und Aggressionen als sehr selten aufgeführt (2). Während psychotische Reaktionen beispielsweise im Zusammenhang mit Fluorochinolonen, Corticosteroiden und einigen Antimalariamitteln geläufig sind, werden sie aufgrund des sehr seltenen Auftretens im Zusammenhang mit amoxicillinhaltigen Präparaten möglicherweise verkannt. Der Fallbericht aus dem BMJ soll daran erinnern, bei akuten psychotischen Ereignissen unklarer Genese unter Einnahme von Amoxicillin das Antibiotikum als mögliche Ursache in Betracht zu ziehen.

Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle) mit. Sie können dafür den Berichtsbogen verwenden, der regelmäßig im Deutschen Ärzteblatt abgedruckt wird oder aus der AkdÄ-Internetpräsenz abrufbar ist. Über www.akdae.de besteht auch die Möglichkeit, einen UAW-Verdachtsfall online zu melden.

Literatur

  1. Schwabe U, Paffrath D (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2008. Heidelberg: Springer Medizin Verlag, 2008.
  2. GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG: Fachinformation "Augmentan® Filmtabletten 875/125 mg". Stand: Februar 2008.
  3. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: "Aus der UAW-Datenbank": Leberversagen mit Todesfolge nach Amoxicillin/Clavulansäure. Dtsch Arztebl 2007; 104: A 974.
  4. Bell CL, Watson B, Waring WS: Acute psychosis caused by co-amoxiclav. BMJ 2008; 337: 996. MEDLINE