Die AkdÄ möchte Sie im Folgenden über Publikationen und Meldungen zu
Arzneimittelrisiken aus dem internationalen Raum informieren und hofft, Ihnen damit
nützliche Hinweise auch für den Praxisalltag geben zu können.
Ende 2000 wurde von der „European Agency for the Evaluation of Medicinal Products“
(EMEA) auf lebensbedrohliche ventrikuläre Herzrhythmusstörungen bei zehn Patienten
nach Einnahme von Levacetylmethadol, einem Derivat des Methadons, hingewiesen. Im April 2001 empfahl die EMEA nach entsprechender Risiko-Nutzen-Analyse, die
Zulassung von Levacetylmethadol aufzuheben (www.emea.eu.int/). Levacetylmethadol
war in einigen europäischen Ländern (unter anderem Deutschland) zugelassen zur
Substitutionstherapie bei Opiatabhängigkeit von Erwachsenen, die zuvor mit Methadon
behandelt wurden.
Vor diesem Hintergrund sind kürzlich von amerikanischen Autoren retrospektiv
analysierte Kasuistiken bei 17 Patienten (zehn Frauen, sieben Männer) von Interesse,
die mit hoch dosiertem Methadon (> 60 mg/d) im Rahmen der Substitution (neun Patienten) beziehungsweise wegen
chronischer Schmerzen (acht Patienten) behandelt wurden und bei denen eine Torsade de pointes aufgetreten war. Weitere drei Patienten verstarben während der
hoch dosierten Therapie mit Methadon plötzlich beziehungsweise entwickelten lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen. Diese drei Fälle wurden jedoch wegen
angeborenen QT-Syndroms beziehungsweise unzureichend dokumentierter Rhythmusstörungen nicht weiter ausgewertet.
Alle 17 Patienten hatten ein verlängertes QT-Intervall (korrigiertes QT-Intervall ³ 500
msec) und wurden echokardiographisch und/oder angiographisch untersucht, um eine
strukturelle Herzerkrankung (definiert als links- oder rechtsventrikuläre systolische
Dysfunktion) zu erkennen. Eine Hypokaliämie (< 3,5 mmol/l) zum Zeitpunkt des
Auftretens der Rhythmusstörung, parallel verabreichte Medikamente, Alkoholgenuss
und Einnahme von Drogen wurden erfasst. Insbesondere wurde auf die gleichzeitige
Einnahme von Medikamenten geachtet, die die hepatische Metabolisierung von Methadon über das Isoenzym CYP3A4 des Cytochrom-P450-Systems beeinflussen
können (zum Beispiel Antihistaminika, Makrolide, Chinolone, Imidazolderivate, Antimalaria-Mittel, trizyklische Antidepressiva).
Die klinischen und laborchemischen Merkmale der 17 Patienten (Fehlen einer
strukturellen Herzerkrankung bei 14 Patienten, Hypokaliämie bei sieben Patienten,
Überwiegen des weiblichen Geschlechts) ähneln den in der Literatur mitgeteilten,
durch Medikamente induzierten Fällen von Torsade de pointes. Das mittlere Alter der
Patienten lag bei 49 Jahren, und die mittlere tägliche Methadon-Dosis betrug 397 mg.
Bei sechs der 17 Patienten war die Methadon-Dosis einen Monat vor Auftreten der Torsade de pointes erhöht worden. Neun Patienten nahmen gleichzeitig Medikamente
ein, die potenziell das QT-Intervall verlängern können, und ein Patient ein Medikament,
das die Metabolisierung von Methadon hemmt. Bei 14 Patienten wurde nach Auftreten
der Torsade de pointes ein Defibrillator implantiert. Alle Patienten überlebten diese
schwerwiegende Herzrhythmusstörung.
Als potenzielle pathophysiologische Mechanismen für das Auftreten von Torsade de
pointes nach hoch dosierter Gabe von Methadon wurden von den Autoren eine durch Methadon ausgelöste Bradykardie bzw. Verlängerung des kardialen Aktionspotenzials
durch Verzögerung der Repolarisation diskutiert. Obwohl die kleine Patientenzahl und
das Fehlen einer Kontrollgruppe eine eindeutige Beurteilung der Kausalität beziehungsweise Bestimmung der relativen Häufigkeit der Torsade de pointes nach
Gabe von Methadon nicht erlauben, erscheint ein Kausalzusammenhang auch aufgrund der Berichte über derartige UAW nach Gabe der chemisch ähnlichen
Substanz Levacetylmethadol plausibel. Angesichts der Bedeutung von Methadon für die
Behandlung von Opiatabhängigen sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass die
im Rahmen der Methadon-Substitution üblicherweise verabreichte Dosis 60-120 mg/d
beträgt und somit deutlich niedriger ist als die in den oben genannten Kasuistiken
durchschnittlich verabreichte Dosis.
Die AkdÄ weist auf der Basis dieser Beobachtungen darauf hin, dass Ärzte, die
Methadon opiatabhängigen Patienten im Rahmen der Substitutionsbehandlung beziehungsweise Patienten mit chronischen Schmerzen verordnen, mit dem
möglichen Auftreten von Torsade de pointes während der Gabe von hoch dosiertem
Methadon vertraut sein müssen. Potenziell prädisponierende Faktoren für das Auftreten
von Torsade de pointes (zum Beispiel Bradykardie, Hypokaliämie, angeborenes QT-Syndrom sowie Medikamente, die die Metabolisierung von Methadon hemmen)
müssen bei diesen Patienten besonders beachtet werden. Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle) mit.
Sie können dafür den in regelmäßigen Abständen im Deutschen Ärzteblatt auf der
vorletzten Umschlagseite abgedruckten Berichtsbogen verwenden oder diesen unter der AkdÄ-
Internetpräsenz www.akdae.de abrufen.
Literatur
Krantz MJ, Lewkowiez L, Hays H, Woodroffe MA, Robertson AD, Mehler PS: Torsade de
pointes associated with very-high dose methadone. Annals of Internal Medicine 2002;
137: 501–504.