Hypothermie als reversible Nebenwirkung der Valproinsäure ("Aus der UAW-Datenbank")

Zu den Aufgaben der AkdÄ gehören die Erfassung, Dokumentation und Bewertung von

unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW). Die AkdÄ möchte Sie regelmäßig über

aktuelle Themen aus der Arbeit ihres UAW-Ausschusses informieren und hofft, Ihnen damit

wertvolle Hinweise für den Praxisalltag geben zu können.

Valproinsäure ist Mittel der ersten Wahl zur Behandlung generalisierter und fokaler

Epilepsien (1). Obwohl diese Substanz seit mehr als 30 Jahren in Europa zugelassen ist,

wurde erst in den letzten Jahren über Fälle berichtet, bei denen die Körpertemperatur

unter 35 °C fiel. Diese Hypothermie war nach Absetzen des Arzneimittels reversibel. Da

das Auftreten einer Hypothermie in den Fachinformationen nicht aufgeführt wird, soll die

Ärzteschaft über die vorliegenden Meldungen aus dem deutschen Spontanerfassungssystem

für unerwünschte Arzneimittelwirkungen (gemeinsame Datenbank von BfArM und AkdÄ)

informiert werden.

Der AkdÄ liegen fünf Spontanmeldungen über eine Hypothermie unter Valproinsäure vor

(Datenstand: 6. 2. 2003), davon drei Fälle nach oraler und zwei Fälle nach parenteraler

Gabe. Bei zwei dieser Fälle (Kinder) wurde Valproinsäure mit dem neueren Antiepileptikum

Topiramat kombiniert. In einem weiteren Fall erfolgte eine Kombination mit Phenobarbital.

Besonders hervorzuheben ist der Fall einer 42-jährigen Patientin mit einer

pharmakoresistenten fokalen Epilepsie. Bei ihr kam es unter der intravenösen Gabe von

Valproinsäure wegen eines Status epilepticus zu einer reversiblen Hypothermie von 31,5

°C.

Aus der Anamnese waren psychotische Episoden bekannt, die Patientin hatte aber akut keine

Neuroleptika bekommen, die – wie zahlreiche andere Medikamente auch (siehe unten)

– zu einer Hypothermie führen können. Auch in der Literatur wird über fünf

Patienten mit einer reversiblen Hypothermie bis zu 32,2 °C berichtet (4). Zugleich

bestanden Verwirrtheit, Vigilanzminderung und kognitive Verlangsamung sowie Zeichen einer

Enzephalopathie. In einem der fünf Fälle trat unter Reexposition wiederum eine

Hypothermie auf. Ein Patient gab eine Intoleranz gegenüber Wärme an. Die Autoren

vermuten, dass die Hypothermie im Rahmen einer auch den Hypothalamus betreffenden

Enzephalopathie durch eine Beeinflussung des zerebralen GABA-Stoffwechsels entstehen

könne. Bei zwei (oben bereits erwähnten) Kindern mit Epilepsie kam es nach Kombination

von Topiramat mit einer länger bestehenden Valproinsäuretherapie zu einer reversiblen

Apathie und Hypothermie (2). In einer kleinen Studie an nur 91, meist mental retardierten

Patienten wurde unter einer Therapie mit Valproinsäure keine Abnahme der

Körpertemperatur beobachtet (3). Auch andere Arzneimittel, wie zum Beispiel Neuroleptika,

Bromocriptin, Ibuprofen, Paracetamol, Midazolam oder Phenytoin, können zu einer

Hypothermie führen. Insofern muss, bevor Valproinsäure als Ursache angenommen wird, eine

sorgfältige Medikamentenanamnese erhoben werden. Schließlich sind auch noch Erkrankungen

wie Unterkühlung durch äußerliche Umstände oder Sepsis in Betracht zu ziehen.

Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle) mit.

Sie können dafür den in regelmäßigen Abständen im Deutschen Ärzteblatt auf der

vorletzten Umschlagseite abgedruckten Berichtsbogen verwenden oder diesen aus der

AkdÄ-Internetpräsenz www.akdae.de abrufen.

Literatur

1. Arzneiverordnungen, 20. Auflage, Deutscher Ärzte-Verlag, Köln, 2003.

2. Longin E, Teich M, Koelfen W, König S: Topiramate

enhances the risk of valproate-associated side effects in three children. Epilepsia 2002;

43

(4): 451–454.

3. May RB, Sunder TR: Valproic acid and body temperature. Clin Res 1990; 38: 47 A

(Abstract).

4. Zachariah SB, Zachariah A, Ananda R, Stewart JT:

Hypothermia and thermoregulatory derangements induced by valproic acid. Neurology 2000;

55 (1): 150–151.