Durch die Kombination von Amoxicillin mit dem Betalaktamase-Hemmstoff Clavulansäure kann das Spektrum von Amoxicillin um Betalaktamasen bildende Bakterien wie zum Beispiel Staphylokokken, Moraxella, Klebsiellen, Hämophilus und Anaerobier erweitert werden. Indiziert ist die Kombination bei Otitis media, Infektionen der oberen und unteren Atemwege, des Genitaltraktes, der Harnwege sowie der Haut und der Weichteile. Im Jahr 2005 wurde die Kombination mit 4,8 Mio. DDD verordnet, entsprechend einer Steigerung um 22,7 % gegenüber dem Vorjahr (1). Zu den bekannten unerwünschten Arzneimittelwirkungen zählen neben gastrointestinalen Beschwerden und Überempfindlichkeitsreaktionen (besonders der Haut) auch Leberfunktionsstörungen mit Anstieg der Leberenzymwerte bis hin zur schweren cholestatischen Hepatitis (2).
Berichtet wird über eine 75-jährige Patientin, die mit erhöhten Leberwerten und schmerzlosem Ikterus stationär aufgenommen wurde. Wegen einer Bronchitis war sie mit Amoxicillin/Clavulansäure behandelt worden. Bereits ein halbes Jahr zuvor war eine passagere Erhöhung der Leberwerte unklarer Genese aufgefallen. Die aktuell durchgeführten Untersuchungen ergaben keine Hinweise auf eine infektiöse, metabolische, autoimmune, hereditäre oder posthepatische Ursache des Leberschadens. Die bildgebenden Verfahren zeigten regelrechte Befunde. Die histologische Untersuchung des Leberparenchyms zeigte typische Veränderungen im Sinne einer medikamentös-toxischen Ursache.
Im weiteren Verlauf verschlechterte sich die Leberfunktion zunehmend, das Bilirubin im Serum stieg von initial 11,6 mg/dl bis auf 29,7 mg/dl, und es kam zu einer Hypalbuminämie mit Ödemen. Trotz eines Therapieversuchs mit Prednisolon erholten sich die Syntheseparameter nicht, und sonographisch verkleinerte sich die Leber zusehends. Die Patientin verstarb schließlich im septischen Kreislaufversagen, da eine Lebertransplantation aus Altersgründen nicht durchgeführt werden konnte. Anamnestisch war Amoxicillin/Clavulansäure das einzige Arzneimittel, das als Auslöser des Leberschadens infrage kam.
Im deutschen Spontanmeldesystem (gemeinsame Datenbank von BfArM und AkdÄ, Stand 25.01.2007) sind 458 Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen nach Gabe von Amoxicillin/Clavulansäure erfasst, wovon sich 84 auf Leber- und Gallenerkrankungen beziehen. In 35 Fällen wird von einer Hepatitis (darunter 22-mal cholestatische, 6-mal toxische Hepatitis), in 13 Fällen von einer Cholestase und in sieben Fällen von einem Leberversagen berichtet.
Unter Therapie mit Amoxicillin/Clavulansäure wird häufig ein passagerer, mäßiger Anstieg der Leberenzyme beobachtet. In sehr seltenen Fällen kann es zum Leberversagen kommen. In einer 2005 veröffentlichten Auswertung von 461 gemeldeten Fällen arzneimittelinduzierter Leberschäden in Spanien war die Kombination Amoxicillin/Clavulansäure das am häufigsten angeschuldigte Arzneimittel (3). Als Risikofaktoren werden männliches Geschlecht, höheres Lebensalter und längere Therapiedauer genannt (4–6). Vorbestehende Erkrankungen der Leber scheinen nur eine untergeordnete Rolle zu spielen (7). Die Diagnose kann erschwert werden durch die teilweise verzögerte Symptomatik. In einigen Fällen trat der Leberschaden erst drei bis vier Wochen nach Absetzen des Antibiotikums auf (4, 8).
Da unter Amoxicillin allein bislang nur selten Leberschäden beschrieben wurden, wird Clavulansäure als die potenziell lebertoxische Substanz angesehen. Vermutlich liegt dieser selten auftretenden Leberschädigung ein idiosynkratischer Mechanismus zugrunde, möglicherweise über eine Assoziation mit humanen Leukozyten-Antigenen (5, 9).
Die Anwendung von Amoxicillin/Clavulansäure bei Patienten mit vorbestehender Leberfunktionsstörung sowie bei älteren Patienten ab 60 Jahren sollte wegen des Risikos möglicher UAW mit großer Vorsicht erfolgen. Es empfiehlt sich eine regelmäßige Kontrolle der Leberwerte. Bei Verschlechterung sollte ein Therapieabbruch erfolgen. Amoxicillin/Clavulansäure ist kontraindiziert bei Patienten, bei denen bereits bei einer früheren Therapie Leberfunktionsstörungen aufgetreten sind.
Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle) mit. Sie können dafür den in regelmäßigen Abständen im Deutschen Ärzteblatt auf der vorletzten Umschlagseite abgedruckten Berichtsbogen verwenden oder diesen aus der AkdÄ-Internetpräsenz www.akdae.de abrufen.
Literatur1. Schwabe U, Paffrath D (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2006. Berlin, Heidelberg,
New York: Springer-Verlag, 2006.
2. Ratiopharm GmbH: Fachinformation "Amoxicillin-ratiopharm® comp.". Stand: Juni 2004.
3. Andrade RJ, Lucena MI, Fernandez MC, Pelaez G, Pachkoria K, Garcia-Ruiz E
et al.: Drug-induced liver injury: an analysis of 461 incidences submitted to the
Spanish registry over a 10-year period. Gastroenterology 2005; 129: 512–21.
4. Larrey D, Vial T, Micaleff A, Babany G, Morichau-Beauchant M, Michel H et al.: Hepatitis
associated with amoxycillin-clavulanic acid combination report of 15 cases.
Gut 1992; 33: 368–71.
5. O'Donohue J, Oien KA, Donaldson P, Underhill J, Clare M, MacSween RN et al.:
Co-amoxiclav jaundice: clinical and histological features and HLA class II association.
Gut 2000; 47: 717–20.
6. Thomson JA, Fairley CK, Ugoni AM, Forbes AB, Purcell PM, Desmond PV et al.:
Risk factors for the development of amoxycillin-clavulanic acid associated jaundice.
Med J Aust 1995; 162: 638–40.
7. Gresser U: Amoxicillin-clavulanic acid therapy may be associated with severe side
effects – review of the literature. Eur J Med Res 2001; 6: 139–49.
8. de Abajo FJ, Montero D, Madurga M, Garcia Rodriguez LA: Acute and clinically relevant
drug-induced liver injury: a population based case-control study. Br J Clin
Pharmacol 2004; 58: 71–80.
9. Andrade RJ, Lucena MI, Alonso A, Garcia-Cortes M, Garcia-Ruiz E, Benitez R
et al.: HLA class II genotype influences the type of liver injury in drug-induced idiosyncratic
liver disease. Hepatology 2004; 39: 1603–12.