Anlässlich einer Meldung über eine schwerwiegende unerwünschte
Arzneimittelwirkung (UAW) hat sich der Ausschuss "Unerwünschte
Arzneimittelwirkungen" der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
(AkdÄ) mit dem diabetogenen Risiko sowie dem Auftreten von Rhabdomyolysen unter
Olanzapin befasst. Im vorliegenden Fall handelte es sich nach dem der AkdÄ zum
Zeitpunkt der UAW-Meldung vorliegenden Datenmaterial um einen 48-jährigen Mann,
der in soporöser Bewusstseinslage mit psychomotorischer Unruhe, hochgradiger
Volumenmangelexsikkose, fieberhaften Temperaturen bis 40°C, Tachypnoe,
Tachykardie und Hypertonie stationär aufgenommen wurde. Die
Serumelektrolytwerte wiesen auf eine schwere Dehydratation bei einer Blutglukose
von initial 1.972 mg/dl hin. Es bestand eine anurische Niereninsuffizienz,
eine Rhabdomyolyse und Myoglobinurie mit maximalen CPK-Werten von 13.000 U/I.
Weitere Laboruntersuchungen zeigten reichlich Glukose und freies Hb im Urin,
jedoch nie Ketonkörper, eine ausgeprägte Hyperosmolarität und eine
metabolische Azidose. - Der Patient wurde seit Jahrzehnten mit Lithium (36
mmol/d) und seit etwa zwei Jahren mit Olanzapin (10 mg/d) behandelt. 1998 wurde
erstmals unter Olanzapin-Therapie eine erhöhte Blutglukose (130 mg/dl)
bestimmt; allerdings war diese Bestimmung höchstwahrscheinlich nicht nüchtern
erfolgt.
Weitere Blutglukosewerte liegen nicht vor. Am Tag der stationären Aufnahme
wurde jedoch ein HbA1c-Wert von 11,0 Prozent gemessen. - Die potenziell
lebensbedrohlichen Komplikationen waren unter entsprechender Therapie
reversibel. In einer ausführlichen Diskussion des Falles im UAW-Ausschuss
stellte sich die Frage, ob und inwieweit das hyperglykämische Koma und damit
die diabetische Stoffwechsellage bzw. ein Diabetes per se als UAW der
Olanzapin-Therapie anzusehen ist. Das Auftreten von Symptomen eines Diabetes
mellitus unter der Therapie mit so genannten atypischen Neuroleptika ist grundsätzlich
bekannt. In der Fachinformation zu Zyprexa® (1) ist unter der Rubrik
Nebenwirkungen unter anderem angeführt: "Eine Hyperglykämie oder eine
Verschlechterung eines bestehenden Diabetes wurde sehr selten spontan berichtet,
gelegentlich begleitet von Ketoazidose oder Koma, einschließlich einiger
fataler Fälle (. . .)." Der pathologische HbA1c-Wert beweist, dass
zumindest in den letzten drei Monaten der Diabetes des Patienten unzureichend
eingestellt war. Datenrecherchen der AkdÄ im deutschen Spontanerfassungssystem
(gemeinsame Datenbank des Bundesinstitutes für Arzneimittel und
Medizinprodukte, BfArM, und der AkdÄ, Berichtsfälle seit 1990, Stand:
15.11.2001), in denen Wirkstoffe, Wirkstoffgruppen oder auch
Arzneimittelspezialitäten nach ihrer Häufigkeit bestimmten WHO-Terms unerwünschter
Arzneimittelwirkungen zugeordnet werden können, zeigen, dass Olanzapin beim
Term "Diabetes", der als Synonymbegriff auch "Diabetes ausgelöst"
mit einschließt, an dritter Stelle liegt. Im Vergleich wird Clozapin als ein
dem Olanzapin chemisch nahe verwandtes atypisches Neuroleptikum bei diesem Term
sogar an erster Stelle genannt. Beim Term "Diabetisches Koma" findet
sich Olanzapin - zusammen mit Clozapin - an dritter Stelle der Häufigkeit der
Nennungen. Auch in der Literatur (2, 3, 4, 5, 6, 7) finden sich Berichte über
das Auftreten eines Diabetes (so genannter "New Onset Diabetes"),
einer Hyperglykämie, einer Hyperglykämie mit Ketoazidose sowie eines "New
Onset Diabetes" mit diabetischer Ketoazidose unter teilweise schon längere
Zeit durchgeführter Olanzapin-Therapie, zum Teil allerdings bei bereits
vorbestehender diabetischer Stoffwechsellage.
Im vorliegenden Fall könnte differenzialdiagnostisch auch ein malignes
neuroleptisches Syndrom (MNS) als UAW der Olanzapin-Therapie in Betracht gezogen
werden. In der Fachinformation (1) findet sich unter der Rubrik Nebenwirkungen
folgender Hinweis: "Im Zusammenhang mit Olanzapin wurden seltene, als
malignes neuroleptisches Syndrom (MNS) berichtete Fälle erhalten (. . .)."
Zwar ist bekannt, dass zur klinischen Manifestation eines MNS eine Rhabdomyolyse
mit konsekutiver CPK-Erhöhung, Myoglobinurie und akutem Nierenversagen
hinzutreten kann. Das Vorliegen eines MNS oder eines "MNS-ähnlichen
klinischen Bildes" wurde jedoch im Ausschuss mehrheitlich als sehr
unwahrscheinlich angesehen, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens fehlte
eines der Kardinalsymptome eines MNS, nämlich der Rigor. Der Patient musste
vielmehr wegen hochgradiger motorischer Unruhe mit hohen Dosen Diazepam
behandelt werden. Zweitens waren andere für ein MNS typische, potenziell
lebensbedrohliche und oft nur schwer behandelbare Symptome, wie Fieber und
Zeichen autonomer Instabilität, mit geeigneten klinischen Maßnahmen gut zu
beherrschen. Insofern ist die hier beobachtete, muskelbioptisch freilich nicht
verifizierte Rhabdomyolyse mit den entsprechenden Folgeerscheinungen wohl als
eine gesonderte UAW unter Olanzapin-Therapie anzusehen. Rhabdomyolysen unter
Olanzapin werden in der Literatur beschrieben (8, 9). Eine Datenbank-Recherche
(siehe oben) ergab, dass hinsichtlich des Terms "Rhabdomyolyse"
Olanzapin, wie auch Clozapin, unter den zehn in diesem Zusammenhang am häufigsten
genannten Wirkstoffen rangiert. Die akute Niereninsuffizienz ist wohl in erster
Linie auf die Rhabdomyolyse zurückzuführen, könnte allerdings durch die
exzessiven Trinkvolumina des auf ein bestimmtes nichtalkoholisches Getränk
fixierten Patienten noch verstärkt worden sein. Aus Sicht der AkdÄ wird
empfohlen, unter - auch länger andauernder - Olanzapin-Therapie insbesondere
den Blutzuckerspiegel und die CPK öfter zu kontrollieren und bei ersten
laborchemischen oder klinischen Hinweisen auf das Auftreten eines Diabetes
und/oder einer Rhabdomyolyse Olanzapin abzusetzen und das Therapieschema
umzustellen. Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch
Verdachtsfälle) mit. Sie können dafür den in regelmäßigen Abständen im
Deutschen Ärzteblatt auf der vorletzten Umschlagseite abgedruckten
Berichtsbogen verwenden oder diesen unter der AkdÄ-Internetpräsenz
www.akdae.de abrufen.
Literatur
- Fachinformation Zyprexa®, Stand Juni 2001.
- Hutchison TA & Shahan DR (Eds): DRUGDEX® System. MICROMEDEX, Inc., Greenwood Village, Colorado (Edition 110 expires 12/2001).
- Wirshing DA, Spellberg BJ et al.: Novel Antipsychotics and New Onset Diabetes. Biol Psychiatry 1998; 44: 778-783.
- Fertig MK, Brooks VG et al.: Hyperglycemia Associated With Olanzapine. J Clin Psychiatry 1998; 59: 687-689.
- Ober SK, Hudak R, Rusterholtz A: Hyperglycemia and Olanzapine. Am J Psychiatry 1999; 156: 970.
- v. Hayek D, Hüttl V et al.: Hyperglykämie und Ketoazidose unter Olanzapin. Nervenarzt 1999; 70: 836-837.
- Goldstein LE, Sporn J et al.: New-Onset Diabetes Mellitus and Diabetic Ketoacidosis Associated with Olanzapine Treatment. Psychosomatics 1999; 40: 438-443.
- Marcus E-L, Vass A, Zislin J: Marked Elevation of Serum Creatine Kinase Associated with Olanzapine Therapy. Ann Pharmacother 1999; 33: 697-700.
- Shuster J: Olanzapine and rhabdomyolysis. Nursing 2000; 30: 87.