Schwere Thrombozytose mit arteriellem Verschluss nach Gemcitabin (Aus der UAW-Datenbank)

Zu den Aufgaben der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) gehören die Erfassung, Dokumentation und Bewertung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW). Die AkdÄ möchte Sie regelmäßig über aktuelle Themen aus der Arbeit ihres UAW-Ausschusses informieren und hofft, Ihnen damit wertvolle Hinweise für den Praxisalltag geben zu können.


Gemcitabin (Gemzar®) ist ein Pyrimidin-Analogon, das für die Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Blasen-, Bronchial-, Mamma-, Ovarial- und Pankreaskarzinoms zugelassen ist. Wie bei anderen Zytostatika erweist sich oftmals seine myelotoxische Wirkung als dosislimitierend, die sich vor allem in einer Thrombozytopenie bemerkbar macht.


Der AkdÄ wurde nun von einer 52-jährigen Patientin berichtet, bei der jedoch eine Thrombozytose für den tragischen Krankheitsverlauf entscheidend war. Sie hatte wegen eines lokal fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms eine palliative Monotherapie mit Gemcitabin (1000 mg/m2 einmal pro Woche) erhalten. Aus der Krankheitsgeschichte ist ein Diabetes mellitus Typ I, eine Hypertonie und eine pAVK, die zu einer Unterschenkel-Amputation links geführt hatte, erwähnenswert. Im Rahmen einer subtotalen Duodenopankreatektomie mit 2/3-Resektion des Magens bei der Erstdiagnose des Pankreaskarzinoms war auch eine Splenektomie erfolgt. Vor dem Beginn der Chemotherapie mit Gemcitabin bestanden leicht erhöhte Thromboyztenwerte (462 × 103/µl), die bei Gabe des vierten Zyklus auf 1 763 × 103/µl anstiegen. Drei Tage später stellte sich die Patientin mit Taubheitsgefühl und Schmerzen in linker Hand und Unterarm vor. Dopplersonographisch fand sich ein Verschluss der A. radialis und A. ulnaris. Trotz mehrfacher Embolektomie und medikamentöser Therapie musste eine Oberarmamputation durchgeführt werden.


In der Datenbank des gemeinsam von BfArM und AkdÄ geführten UAW-Spontanerfassungssystems (Stand: 25.11.2004) finden sich 1599 Meldungen zu Gemcitabin. Hier stehen generalisierte Störungen (58,7 Prozent), Thrombozytenveränderungen bzw. Gerinnungsstörungen (41,6 Prozent) und gastrointestinale Störungen (39,9 Prozent) an der Spitze. Bei den Thrombozytenveränderungen dominieren bei weitem Thrombozytopenien (n = 336, 21,0 Prozent), jedoch lassen sich auch (einschließlich des oben beschriebenen Falles) sieben Meldungen von Thrombozytosen identifizieren. Diese bedingten möglicherweise weitere Komplikationen, genannt werden eine transitorische ischämische Attacke (TIA), eine Lungenembolie und eine Retinalvenenthrombose.


In der Fachinformation wird die Thrombozytose mit einer Häufigkeit von < 1/10.000 als sehr seltene UAW aufgeführt (1). Auch in verschiedenen Publikationen über klinische Studien werden reversible Thrombozytosen beschrieben, die dort allerdings folgenlos verliefen (2; 3; 4).


Bei Gabe von Gemcitabin sollte insbesondere bei Patienten mit einer arteriellen Verschlusskrankheit oder einer koronaren Herzkrankheit beachtet werden, dass eine Thrombozytose auftreten kann. Eine Verordnung von z. B. Thrombozytenaggregationshemmern muss auch unter diesem Gesichtspunkt geprüft werden.


Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle) mit. Sie können dafür den in regelmäßigen Abständen im Deutschen Ärzteblatt auf der vorletzten Umschlagseite abgedruckten Berichtsbogen verwenden oder diesen aus der AkdÄ-Internetpräsenz www.akdae.de abrufen.



Literatur
1. Lilly: Fachinformation Gemzar 2003.


2. Gallelli L, Nardi M, Prantera T et al.: Retrospective analysis of adverse drug reactions induced by gemcitabine treatment in patients with non-small cell lung cancer. Pharmacol Res 2004; 49: 259-263.


3. Zwitter M, Cufer T, Wein W: Gemcitabine and vincristine: an effective outpatient regimen with low myelotoxicity for stage IV non-small cell lung cancer. Neoplasma 2001; 48: 200-202.


4. Esteban E, Fra J, Corral N et al.: Phase I/II study of gemcitabin plus vinorelbine in non-small cell lung cancer. Invest New Drugs 2002; 20: 73-78.