Betablocker werden seit 1978 als Augentropfen zur Senkung des intraokularen Drucks bei der Therapie des Offenwinkelglaukoms eingesetzt. Die Augendrucksenkung wird vermutlich durch eine Drosselung der Produktion des Kammerwassers hervorgerufen. Neben Betablockern, Cholinergika und älteren Alpha-2-Sympathomimetika stehen heute neuere Substanzen für die medikamentöse Glaukomtherapie zur Verfügung. Hierzu zählen das stark alpha-2-selektive Brimonidin, die lokal wirksamen Carboanhydratasehemmer Dorzolamid und Brinzolamid sowie die Prostaglandinderivate Latanoprost, Travoprost und Bimatoprost. Obwohl die Verordnungen von Betablocker-Augentropfen seit einigen Jahren rückläufig sind, nehmen sie in der Behandlung des Glaukoms weiterhin eine führende Stellung ein. Timolol ist die mit Abstand am häufigsten verwendete Substanz und wurde 2005 mit 126,5 Mio. DDD verordnet (1).
Berichtet wird über drei ältere Patienten, die zur Abklärung von Schwindel und Synkopen bzw. Stürzen stationär aufgenommen wurden (2). Alle drei Patienten erhielten zur Glaukombehandlung Timolol-Augentropfen 0,5 % in einer Dosierung von einem Tropfen zweimal täglich in beide Augen. Ein Tropfen entspricht bei dieser Konzentration etwa 0,25 mg Timolol. In einem Fall konnte im Langzeit-EKG eine symptomatische Bradykardie nachgewiesen werden. In den beiden anderen Fällen zeigte sich bei der Kipptischuntersuchung eine orthostatische Dysregulation. Bei allen drei Patienten wurden die Symptome auf die Behandlung mit Timolol zurückgeführt und das Präparat abgesetzt. Nach Einleitung einer alternativen Glaukomtherapie kam es bei der weiteren Nachbeobachtung zu keinen erneuten Synkopen oder Sturzereignissen.
Seit Jahren wird kontrovers diskutiert, ob hinsichtlich der Gefahr systemischer Nebenwirkungen und inzwischen bewährter medikamentöser Therapiealternativen Betablocker weiterhin als Arzneimittel der ersten Wahl in der Glaukomtherapie empfohlen werden sollten (3). Die systemischen Wirkungen von Betablockern bei der Anwendung als Augentropfen werden häufig unterschätzt. Ein Teil gelangt über den Tränennasen-gang in den Nasen-Rachen-Raum. Nach Resorption über die Schleimhaut wird der Wirkstoff direkt im systemischen Kreislauf wirksam, da eine partielle Inaktivierung über den sonst bestehenden First-pass-Metabolismus umgangen wird. Dies kann zu Nebenwirkungen wie bradykarden Herzrhythmusstörun-gen, Hypotension oder Bronchokonstriktion führen. Für Betablocker-Augentropfen gelten daher die gleichen Gegenanzeigen wie für oral und intravenös verabreichte Betablocker (siehe Fachinformationen).
Im deutschen Spontanmeldesystem (gemeinsame Datenbank von BfArM und AkdÄ, Stand: März 2007) sind 367 Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen im Zusammenhang mit betablockerhaltigen Augentropfen erfasst. Davon betreffen 21 Berichte Bradykardien und acht Synkopen. Viermal wird ein AV-Block genannt.
Ein kürzlich im Lancet publizierter Kommentar weist besonders auf neuere Augentropfen hin, in denen Betablocker mit anderen Substanzen kombiniert werden (4). Es wird befürchtet, dass durch neue Kombinationspräparate hervorgerufene systemische Nebenwirkungen möglicherweise nicht erkannt werden oder Patienten ihre Augentropfen bei der Arzneimittelanamnese nicht erwähnen. Eine tabellarische Übersicht der typischen Kontraindikationen und unerwünschten Arzneimittelwirkungen derzeit verfügbarer lokaler Glaukommedikamente findet man in "Arzneiverordnungen", 21. Auflage, Kapitel 54, "Ophthalmologische Ratschläge" (5).
Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle) mit. Sie können dafür den in regelmäßigen Abständen im Deutschen Ärzteblatt auf der vorletzten Umschlagseite abgedruckten Berichtsbogen verwenden oder diesen aus der AkdÄ-Internetpräsenz www.akdae.de abrufen.
Literatur
1. Schwabe U, Paffrath D (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2006. Berlin, Heidelberg, New York: Springer-Verlag, 2006.
2. Muller ME, van der Velde N, Krulder JW, van der Cammen TJ: Syncope and falls due to timolol eye drops. BMJ 2006; 332: 960–1.
3. Goldberg I: Should beta blockers be abandoned as initial monotherapy in chronic open angle glaucoma? The controversy. Br J Ophthalmol 2002; 86: 691–2.
4. Spratt A, Ogunbowale L,Wormald R, Franks W: What's in a name? New glaucoma drugs. Lancet 2006; 368: 826–7.
5. Ophthalmologische Ratschläge. In: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (Hrsg.): Arzneiverordnungen. 21. Aufl., Köln: Deutscher Ärzte-Verlag, 2006; 1307–26.