Zu den Aufgaben der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) gehören die Erfassung, Dokumentation und Bewertung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW). Die AkdÄ möchte Sie regelmäßig über aktuelle Themen aus der Arbeit ihres UAW-Ausschusses informieren und hofft, Ihnen damit wertvolle Hinweise für den Praxisalltag geben zu können.
Japanische Autoren (1) berichten über einen 69-jährigen Patienten, der wegen eines zerebralen Infarktes Ticlopidin (Tiklyd®, Generika) erhielt. Einige Zeit später (leider fehlt in der Kasuistik eine genaue Zeitangabe) wurde er mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Anorexie, Ikterus und Juckreiz stationär aufgenommen. Laborwerte: GPT 455 IU/l, GOT 190 IU/l, Gesamt-Bilirubin 8,2 mg/dl, Gamma-GT 806 IU/l, Hepatitis-Serologie negativ. Die Sonographie gab keinen Anhalt für eine Obstruktion. Es wurde eine akute intrahepatische Cholestase diagnostiziert. Es entwickelte sich eine normochrome Anämie bei Retikulozytenschwund. Bei der Knochenmarkpunktion fand sich eine starke Verminderung der Erythroblasten. Schließlich musste der Patient fünf Transfusionen erhalten. Ticlopidin wurde abgesetzt. Die Anämie besserte sich schrittweise, die Laborwerte normalisierten sich. Eine erneute Knochenmarkpunktion zeigte eine deutliche Vermehrung der Erythroblasten, und auch die Retikulozyten im peripheren Blut stiegen an. Der Verdacht auf intrahepatische Cholestase wurde schließlich noch histologisch gesichert.
Ticlopidin wurde 2003 mit 4,4 Mio. DDD verordnet (2); die Verordnungen sind wegen des Risikos schwerer Neutropenien in den letzten Jahren stark zurückgegangen. In den Fachinformationen werden mögliche Leberfunktionsstörungen als seltene UAW erwähnt. Auch auf das Risiko von Blutbildveränderungen wird ausdrücklich hingewiesen, weshalb regelmäßige Blutbildkontrollen erforderlich sind. In der Fachinformation zu beispielsweise Ticlopidinratiopharm® (3) werden unter anderem auch sehr selten auftretende aplastische Anämien genannt.
Im deutschen Spontanerfassungssystem (gemeinsame Datenbank von BfArM und AkdÄ; Stand: 30.03.2005) sind 715 Meldungen zu Ticlopidin registriert. Hiervon beziehen sich 40,7 Prozent auf "Leber- und Gallenveränderungen". Unter anderem wird 44-mal (6,2 Prozent) eine cholestatische Hepatitis genannt. Es scheint sich also hierbei nicht um eine seltene UAW zu handeln. Unter "Veränderungen des roten Blutbildes" finden sich insgesamt 114 Meldungen (15,9 Prozent). Hierunter wird im Einzelnen 30-mal eine "Anämie" angegeben (4,2 Prozent aller Berichte), 5-mal eine aplastische Anämie und jeweils einmal eine normochrome, hämolytische, makrozytäre und hypochrome Anämie. Auch die im vorliegenden Fall angegebenen Blutbildveränderungen sind also nach den Erkenntnissen des deutschen Spontanerfassungssystems nichts Ungewöhnliches und sollten in der Fachinformation Erwähnung finden.
Patienten sollten insbesondere während der ersten Monate der Behandlung mit Ticlopidin engmaschig und regelmäßig hinsichtlich möglicher Leber- und Blutbildstörungen überwacht werden.
Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle) mit. Sie können dafür den in regelmäßigen Abständen im Deutschen Ärzteblatt auf der vorletzten Umschlagseite abgedruckten Berichtsbogen verwenden oder diesen aus der AkdÄ-Internetpräsenz www.akdae.de abrufen.
Literatur
1. Yamamoto N, Shiraki K, Saitou K et al.: Ticlopidine induced acute cholestatic hepatitis complicated with pure red cell aplasia. J Clin Gastroenterol 2004; 38: 84.
2. Schwabe U, Paffrath P (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2004. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York 2004.
3. Fachinformation Ticlopidinratiopharm®, Juli 2001.