Mit Rofecoxib und Celecoxib stehen in Deutschland zwei selektive
Cyclooxygenase-2-Inhibitoren zur Verfügung. Rofecoxib (Vioxx®) wurde im
Dezember 1999 eingeführt, Celecoxib (Celebrex®) im Juni 2000. Beide
Arzneimittel sind zugelassen zur Behandlung von Symptomen bei Reizzuständen
degenerativer Gelenkerkrankungen (aktivierte Arthrosen) oder chronischer
Polyarthritis (Rheumatoide Arthritis). Die Wirkstoffe zeigen eine hohe
Selektivität für die Cyclooxygenase 2, wodurch der durch die
Cyclooxygenase 1 vermittelte Schutz der Prostaglandine auf die Magenmukosa
und die Nierendurchblutung erhalten bleibt. Experimentell angelegte Studien
zeigen eine signifikante Abnahme von peptischen Mukosaläsionen unter
COX-2-Inhibitoren im Vergleich zu konventionellen nichtsteroidalen
Antirheumatika (NSAR).
In den 420 Verdachtsfällen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen
aus der gemeinsamen Datenbank des Bundesinstitutes für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) und der AkdÄ zu Rofecoxib und den 223 Meldungen zu
Celecoxib bis November 2001 betreffen 64 Prozent (Rofecoxib) und 62 Prozent
(Celecoxib) der berichteten Symptome den Magen-Darm-Trakt. Zu den häufigst
genannten Nebenwirkungen für beide Arzneimittel zählen gastrointestinale
Blutungen, Magenulkus, Duodenalulkus, Ulkusperforation und Gastritis. Darunter
sind neun Beobachtungen mit letalem Ausgang (acht Blutungen, eine
Ulkusperforation), über die im Zusammenhang mit einer Rofecoxib-Einnahme
berichtet wurde, und zwei bei Celecoxib-Therapie (eine Blutung, eine
Divertikelperforation), wobei der frühere Zulassungszeitpunkt und die höheren
Verordnungszahlen von Rofecoxib zu berücksichtigen sind. Diese Patienten waren
wenigstens 65 Jahre alt, und nur in einer dieser Beobachtungen wurde nach den
vorliegenden Informationen die zusätzliche Gabe von Diclofenac als mitauslösend
angesehen.
Die zum Zeitpunkt der Markteinführung der COX-2-Inhibitoren publizierten
Studien zeigten eine gegenüber nichtselektiven NSAR (Naproxen, Ibuprofen,
Diclofenac) erwartete Reduktion der Inzidenz peptischer Ulzera von 15-20 Prozent
auf 2,7-7,5 Prozent (1-4). Die Häufigkeit von Ulkuskomplikationen war
unter den nichtselektiven NSAR achtfach größer. Kritisch ist anzumerken, dass
a) in den meisten Studien das besonders mit gastrointestinalen Nebenwirkungen
behaftete Naproxen verwendet wurde, b) die Dosen der NSAR in einem für die
Langzeittherapie unvertretbar hohen Bereich lagen, c) die Studiendauer in der
Regel maximal 12 Wochen betrug (5).
Ein anderes Bild ergaben die im Jahre 2000 veröffentlichten großen
Studien mit Vioxx® (VIGOR) und Celebrex® (CLASS) mit jeweils etwa 8000
Patienten über sechs Monate.
In der CLASS-Studie war die Gesamtzahl der Ulzera und Ulkuskomplikationen mit
2,08 Prozent für Celecoxib und 3,54 Prozent für die Vergleichs-NSAR
(Diclofenac, Ibuprofen) signifikant unterschiedlich (6). Dieser Unterschied war
für die Komplikationen alleine nicht mehr signifikant (0,76 vs. 1,45 Prozent;
p = 0,09). In der VIGOR-Studie war die Inzidenz von Ulzera und Komplikationen
bei Rofecoxib 2,1 Prozent, bei Naproxen 4,5 Prozent, die
Komplikationsrate war 0,6 und 1,4 Prozent pro 100 Patienten/Jahr (7). Die
Gesamtzahl der Todesfälle war in beiden Studien vergleichbar. Die Ergebnisse
der CLASS-Studie werfen einige Fragen auf, da nur die Daten über sechs Monate
ausgewertet wurden, während die bereits vorhandenen 12 Monatsdaten keinen
signifikanten Vorteil von Celecoxib mehr erkennen lassen, nachdem im zweiten
Halbjahr nahezu alle Ulkuskomplikationen in der Celecoxib-Gruppe auftraten (8).
Hinzu kommt ein weiteres Problem in der VIGOR-Studie: Schwere kardiovaskuläre
Ereignisse einschließlich Myokardinfarkt traten in der Rofecoxib-Gruppe häufiger
auf als in der Kontrollgruppe. Der Unterschied könnte dadurch bedingt sein,
dass im Studienprotokoll jegliche Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS)
ausgeschlossen war (9). Der Aspekt des kardiovaskulären Risikos wird
untermauert sowohl durch tierpharmakologische Befunde als auch - wenn auch ohne
sichere Bewertung eines Kausalzusammenhangs - durch Berichte aus der nationalen
und internationalen Spontanerfassung. Im Gegensatz hierzu war in der
CLASS-Studie, in der keine Unterschiede bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen
auftraten, niedrig dosiertes ASS erlaubt.
Die ASS-Einnahme wiederum eliminierte den Vorteil der COX-2-Inhibitoren bezüglich
Ulkuskomplikationen (6): Unter Celecoxib und ASS hatten 2,91 Prozent, unter
NSAR und ASS 2,12 Prozent der Patienten Komplikationen (p = 0,92). Somit
ist anzunehmen, dass der Vorteil der COX-2-Inhibitoren bei ASS-bedürftigen
Patienten entfällt beziehungsweise dass die selektive COX-2-Hemmung mit erhöhtem
kardiovaskulärem Risiko erkauft wird. Coxibe sind unter anderem bei aktiven
peptischen Ulzera oder gastrointestinalen Blutungen kontraindiziert. Bei
Patienten mit gastrointestinalen Vorerkrankungen wie Ulzera und entzündlichen
Magen-Darm-Erkrankungen oder bei Patienten mit erhöhtem gastrointestinalem
Risiko ist Vorsicht angebracht. In den Fachinformationen wird erwähnt, dass
Perforationen des oberen Gastrointestinaltraktes, Ulzera und Blutungen unter
Gabe von Coxiben beobachtet wurden. Angesichts der geschilderten Daten,
insbesondere der Todesfälle, ist das Sicherheitsprofil der COX-2-Inhibitoren
bezüglich gastrointestinaler Nebenwirkungen gerade bei Risikopatienten
erheblich geringer als angenommen. Bei Patienten mit einer Indikation zur
ASS-Langzeitgabe ist ein Vorteil der Behandlung mit COX-2-Inhibitoren gegenüber
nichtselektiven NSAR nicht zu erkennen. Bitte teilen Sie der AkdÄ alle
beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle) mit.
Sie können dafür den in regelmäßigen Abständen im Deutschen Ärzteblatt
auf der vorletzten Umschlagseite abgedruckten Berichtsbogen verwenden oder
diesen unter der AkdÄ-Internetpräsenz www.akdae.de abrufen.
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das im
Internet unter www.aerzteblatt.de
abrufbar ist.