Information zu Pregabalin und Gabapentin: Berichterstattung in den Medien zu Todesfällen

Drug Safety Mail 2024-12

Die AkdÄ erreichen derzeit Anfragen zu Medienberichten über Todesfälle im Zusammenhang mit Pregabalin und Gabapentin (sog. „Gabapentinoide“). Diese basieren auf einer Veröffentlichung des britischen Office for National Statistics vom Januar 2024, aus der ein Anstieg der Todesfällen im Zusammenhang mit Pregabalin und Gabapentin hervorgeht. Die AkdÄ möchte daher auf Folgendes hinweisen:

Pregabalin und Gabapentin sind zugelassen zur Behandlung neuropathischer Schmerzen und Epilepsie, Pregabalin auch bei generalisierter Angststörung (1, 2). Darüber hinaus werden die Arzneimittel off-label angewendet z. B. bei anderen psychiatrischen Erkrankungen, nichtneuropathischen Schmerzen und somatoformen Störungen (3).  Sowohl Gabapentin als auch Pregabalin besitzen das Risiko für die Entwicklung einer Arzneimittelabhängigkeit, die auch bei therapeutischen Dosen auftreten kann (1, 2). Pregabalin scheint ein stärkeres Abhängigkeitspotenzial zu besitzen als Gabapentin (3). Für Pregabalin sind Suizidgedanken und suizidales Verhalten als Risiko beschrieben, für Gabapentin Suizidgedanken. Suizidgedanken können auch nach Absetzen von Pregabalin im Rahmen eines Entzugssyndroms auftreten. Bei beiden Substanzen sind Todesfälle bei gleichzeitiger Anwendung weiterer zentral wirksamer Substanzen wie Opioide beschrieben (1, 2).  

  • Ärztinnen und Ärzte sollten vor der Verordnung das individuelle Patientenrisiko für die Entwicklung einer Abhängigkeit sorgfältig prüfen. Patientinnen und Patienten sollten über dieses Risiko aufgeklärt und hinsichtlich eines nicht bestimmungsgemäßen Gebrauchs, eines Missbrauchs oder einer Abhängigkeit überwacht werden (1, 2).
  • Bei Komedikation von Gabapentin mit anderen zentralwirksamen Substanzen, einschließlich Opioiden, müssen die Patientinnen und Patienten auf Anzeichen einer zentralen Dämpfung (z. B. Somnolenz, Sedierung, Atemdepression) beobachtet werden. Bei gleichzeitiger Anwendung von Morphin kann eine Erhöhung des Gabapentinspiegels auftreten (2).
  • Bei gleichzeitiger Verordnung von Pregabalin und Opioiden ist Vorsicht geboten. Fälle von respiratorischer Insuffizienz, Koma und Tod wurden bei Einnahme von Pregabalin zusammen mit Opioiden und/oder anderen zentral dämpfenden Arzneimitteln berichtet (1).
  • Patientinnen und Patienten sollten hinsichtlich der Entwicklung von Suizidgedanken bzw. suizidalen Verhaltensweisen überwacht werden. Wenn derartige Symptome auftreten, sollten Patientinnen und Patienten bzw. deren Betreuungspersonen medizinischen Rat einholen (1, 2).

Laut der Veröffentlichung des britischen Office for National Statistics zu Todesfällen in England und Wales ist im Zusammenhang mit Pregabalin und Gabapentin für beide Substanzen ein Anstieg der jährlichen Todesfälle zwischen 2018 und 2022 zu verzeichnen (Pregabalin: von 187 auf 441; Gabapentin: von 93 auf 135). Aus den Daten gehen jedoch keine Details zu den einzelnen Fällen hervor.

Dem englischen National Programme on Substance Abuse Deaths wurden zwischen 2004 und 2020 3051 Todesfälle im Zusammenhang mit Pregabalin und Gabapentin gemeldet , deren Daten detailliert ausgewertet wurden (4). In circa 40 % der Fälle waren die Arzneimittel illegal erworben worden. Da in über 90 % der Fälle post mortem auch Opioide detektiert wurden und die Gabapentinoid-Konzentrationen in den meisten Fällen im therapeutischen Bereich lagen, wird eine Interaktion zwischen Gabapentinoiden und Opioiden vermutet. Nur in einem Viertel der Fälle waren die Opioide als Komedikation zu Gabapentinoiden ärztlich verordnet. Nur in zwei Fällen wurden Gabapentin bzw. Pregabalin als allein ursächlich für den Tod angesehen. In 9,7 % (Gabapentin) bzw. 5,3 % (Pregabalin) der Fälle wird von Suizid als Todesursache ausgegangen (4).

Literatur

  1. Upjohn EESV. Fachinformation Lyrica® Hartkapseln; Dezember 2023.
  2. Viatris Pharma GmbH. Fachinformation Neurontin® 600/800 mg Filmtabletten; Juli 2023.
  3. Bonnet U, Bschor T, Scherbaum N, Schilling C, Von Brevern M, Wodarz N. Leitfaden "Schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit von Medikamenten": Vom Vorstand der Bundesärztekammer am 02.05.2022 beschlossen. Verfügbar unter: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Themen/Public_Health/Leitfaden-Medikamentenabhaengigkeit_final-Internetfassung.pdf.
  4. Kalk NJ, Chiu C-T, Sadoughi R, Baho H, Williams BD, Taylor D et al. Fatalities associated with gabapentinoids in England (2004-2020). Br J Clin Pharmacol 2022; 88(8):3911–7. doi: 10.1111/bcp.15352.

Weitere Informationen:

Aus der UAW-Datenbank: Abhängigkeitspotenzial von Pregabalin (Lyrica). Bekanntgabe der AkdÄ im Deutschen Ärzteblatt, Jg. 108, Heft 4, 28.01.2011
Köberle U, Stammschulte T, Acquarone D, Bonnet U. Abhängigkeitspotenzial von Pregabalin. Arzneiverordnung in der Praxis, Band 47, Heft 1-2, März 2020
Webseite der Bundesärztekammer: Gabapentinoide (Gabapentin, Pregabalin)