„Ihr Medikament ist leider zurzeit nicht lieferbar“ – Engpässe bei Arzneimitteln

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 3/2019

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Aktuell sind es 284 Arzneimittel, die man nicht mehr über die Apotheke beziehen kann, Tendenz steigend (1).

Was sind die Gründe dafür?

Der zunehmende Preisdruck bei den Generika führt dazu, dass die Zahl der Wirkstoffhersteller in den letzten Jahren erheblich abgenommen hat. Die Produktionsstätten liegen häufig in Niedriglohnländern im außereuropäischen Ausland (vorzugsweise Asien). Diese außereuropäischen Betriebsstätten sind sehr viel schwieriger zu kontrollieren. Immer wieder führt dies zu Qualitätsproblemen (z. B. tetrazolringhaltige AT1-Blocker und Verunreinigung mit NDMA) (2).

Zudem wurden Lagerkapazitäten für Arzneimittel eingespart. Gibt es eine Fehleinschätzung bezüglich der zukünftigen Nachfrage, reißt die Lieferkette ab. Es sind keine Lagerreserven mehr vorhanden, um Schwankungen aufzufangen. Beispielsweise waren Indapamid und Chlortalidon im vergangenen Jahr nicht in ausreichender Menge verfügbar. Der Grund hierfür lag in einem plötzlichen Umsetzen von HCT auf diese Wirkstoffe in der Hochdrucktherapie, da es Hinweise aus Studien gibt, dass weißer Hautkrebs unter der Therapie mit HCT häufiger auftritt. Auf die plötzlich vermehrte Nachfrage nach Indapamid und Chlortalidon konnte der Markt nicht adäquat reagieren.

Auch Ibuprofen ist für einige Zeit nicht lieferbar. Hier kann eine vermehrte Nachfrage jedoch nicht als Begründung herhalten. Dieses Medikament ist sicher leichter ersetzbar. Allerdings führt dies zu einem erhöhten Zeitaufwand für die Apotheker für die Beschaffung, aber auch die Beratung des Patienten. Muss ein anderes Präparat verwendet werden, wird ein weiterer Arzttermin fällig mit Beratung, Aufklärung und Abwägung von Alternativen. In einem Land mit einer der höchsten Raten an Arzt-Patienten-Kontakten wird das System damit weiter belastet.

Bei hochpreisigen, patentgeschützten Arzneimitteln treten solche Probleme seltener auf.

Bei Onkologika und Antiinfektiva sind diese Medikamente nicht ohne weiteres 1:1 zu ersetzen. Ihr Fehlen bedroht das Patientenwohl, wenn z. B. Chemotherapien nicht im streng festgelegten Zeitabstand gegeben werden oder Infektionen mit resistenten Keimen nicht mit den erforderlichen Antibiotika behandelt werden können.

Es ist grundsätzlich zwischen Liefer- und Versorgungsengpässen zu unterscheiden. Ein Lieferengpass wird vom BfArM als eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung der Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich gesteigerte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann, definiert. Ob dieser Engpass ein versorgungsrelevantes Arzneimittel betrifft, hängt insbesondere davon ab, ob Alternativpräparate auf dem Markt verfügbar sind (1).

Ein Lieferengpass ist daher nicht zwangsläufig ein Versorgungsengpass, da häufig alternative Arzneimittel zur Verfügung stehen, durch die die Versorgung der Patienten sichergestellt werden kann. Ein Beispiel dafür ist ein Lieferengpass bei einem Rabattarzneimittel, bei dem der Rabattvereinbarungen der gesetzlichen Krankenkassen nicht gefolgt werden kann und ein wirkstoffgleiches Arzneimittel eines anderen pharmazeutischen Unternehmers abgegeben werden muss. Auch wenn solche Lieferengpässe immer wieder vorkommen und einen höheren Aufwand in der Apotheke verursachen, gefährden sie in der Regel nicht die Versorgung der Patienten.

Was kann man gegen Versorgungsengpässe tun?

Aktuell werden Lieferengpässe zu versorgungsrelevanten Arzneimitteln von den Zulassungsinhabern – aufgrund einer freiwilligen Selbstverpflichtung im Rahmen des Pharmadialogs – an das BfArM (bzw. ans Paul-Ehrlich-Institut, wenn zu Impfstoffen) gemeldet und in einer Datenbank veröffentlicht.

Weitere Maßnahmen wurden 2017 mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) ergriffen. BfArM und PEI wurden zur Vermeidung von Lieferengpässen befugt, Informationen zu Absatzmengen und Verschreibungsvolumen von den pharmazeutischen Unternehmern zu fordern. Darüber hinaus wurden pharmazeutische Unternehmer verpflichtet, vorhersehbare Lieferengpässe bei bestimmten Arzneimitteln an die Krankenhäuser zu melden. Um mehr Planungssicherheit bei der Umsetzung der Rabattverträge zu erzielen, beginnt zudem die Pflicht der pharmazeutischen Unternehmer zur Gewährleistung der Lieferfähigkeit im Rahmen von Rabattverträgen frühestens drei Monate nach Erteilung des Zuschlags.

Mit dem gerade in Kraft getretenen Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) werden die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, beim Abschluss von Rabattverträgen die Vielfalt der Anbieter und die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten zu berücksichtigen, um Lieferengpässen vorzubeugen.

Die bisherigen Maßnahmen in Deutschland, wie die Online-Datenbank der Lieferengpässe, müssten auf jeden Fall mit einer verpflichtenden Meldung von drohenden Versorgungsengpässen durch den pharmazeutischen Unternehmer ergänzt werden. Diese Verpflichtung sollte durch die Möglichkeit zu Sanktionen gesichert werden.

Zudem führt die zunehmende Globalisierung dazu, dass nationale Alleingänge nicht ausreichend sind. Vielmehr versprechen gemeinsame Aktionen auf europäischer und internationaler Ebene Erfolg. Die EMA hat seit 2016 eine Task Force, die sich mit dem Thema beschäftigt (3).

Ferner sollten die Produktionsstätten für Wirkstoffe wieder nach Europa geholt werden, um Qualitätskontrollen leichter zu ermöglichen und Lieferwege kurz zu halten.

Was sicher scheint: Mit der Verpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen, die Sicherstellung der Lieferung der Medikamente bei Rabattverträgen zu berücksichtigen, werden die Medikamente mal wieder teurer werden. Vielleicht könnte man dieses Geld bei den häufig stark überteuerten Pseudoinnovationen, deren Vorteil gegenüber der bisherigen Standardtherapie nicht belegt ist, wieder hereinholen.

Damit würde man die Versorgung der Patienten mit wichtigen notwendigen Arzneimitteln sicherstellen.

 

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.