Baloxavir marboxil (Xofluza®) ▼

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 3/2021

Zugelassene Indikation und Wirkmechanismus

Xofluza® (Baloxavir marboxil) ist seit dem 07.01.2021 zugelassen bei Personen ab 12 Jahren zur Behandlung einer unkomplizierten Influenza und zur Postexpositionsprophylaxe einer Influenza. Baloxavir marboxil ist ein Prodrug, das durch Hydrolyse in den aktiven Metaboliten Baloxavir umgewandelt wird. Baloxavir hemmt die CAP-abhängige Endonuklease (CEN), ein Influenzavirus-spezifisches Enzym im Polymerase-Acidic-Protein (PA).

CAP (= engl. „cap“ = Kappe) ist eine kappenähnliche Struktur am 5´-Ende von Messenger-RNA(mRNA)-Molekülen, die unter anderem Bedeutung für die Initiierung der ribosomalen Translation hat. Da Influenzaviren keine eigenen CAP-Strukturen besitzen, müssen sie sich die CAP-Struktur der mRNA der Hostzelle aneignen („cap-snatching“). Hierzu dient die viruseigene CEN. Durch Hemmung der CEN stört Baloxavir somit die Transkription viraler RNA in mRNA und damit die Replikation der Influenzaviren.

Markteinführung

Xofluza® (Baloxavir marboxil) ist seit 15. Februar 2021 auf dem deutschen Markt verfügbar.

Bewertung

Baloxavir marboxil (Xofluza®), im Folgenden als Baloxavir bezeichnet, verkürzte in den Zulassungsstudien bei Patienten mit PCR-bestätigter Influenza-Infektion die Dauer Influenza-typischer Symptome im Vergleich zu Placebo signifikant. Der Unterschied betrug jedoch nur etwas mehr als einen Tag. Der Effekt war ähnlich bei Patienten ohne Vorerkrankungen (54 h vs. 80 h) und bei Patienten mit erhöhtem Risiko für Influenza-assoziierte Komplikationen (73 h vs. 102 h). Gegenüber Oseltamivir bestand kein signifikanter Unterschied. Die Zulassungsstudien schlossen unter anderem Patienten aus, deren Krankheitsschwere eine stationäre Therapie erforderlich machte. Eine Bewertung von Baloxavir bei komplizierter Influenza ist deshalb aus den vorliegenden Daten nicht möglich.

Bei Patienten mit Vorerkrankungen oder einem Alter ≥ 65 Jahren traten Komplikationen der Influenza-Infektion unter Baloxavir signifikant seltener auf als unter Placebo (3 % vs. 10 %). Dies beruhte vor allem auf einer reduzierten Häufigkeit von Bronchitiden. Auch eine antibiotische Therapie erfolgte unter Baloxavir signifikant seltener als unter Placebo (3 % vs. 8 %). Der Baloxavir- und Oseltamivir-Arm unterschieden sich bezüglich beider Endpunkte nicht signifikant. Trotz ihrer hohen Patientenrelevanz wurden diese Endpunkte vor Studienbeginn nicht priorisiert und nicht für multiples Testen adjustiert. Daher ist ihre Analyse lediglich als explorativ zu betrachten.

Baloxavir zeigte in den meisten virologischen Endpunkten (u. a. Virusnachweis mittels RNA-Virustiter) eine höhere Effektivität als Oseltamivir. Es ist unklar, weshalb sich dieser Unterschied nicht in patientenrelevanten Endpunkten widerspiegelt. Unter Baloxavir traten bei 5–10 % der Patienten Mutationen des viralen PA-Gens auf, nicht aber unter Placebo oder Oseltamivir. Die klinische Relevanz dieser behandlungsbedingten Veränderung – insbesondere auch im Falle einer Influenza-Epidemie – lässt sich aktuell nicht sicher abschätzen.

Zur abschließenden Bewertung des Nutzens von Baloxavir in der typischen Praxissituation wäre die Analyse der Effektivität bei allen Patienten mit Influenza-typischen Symptomen notwendig – und nicht nur bei denjenigen Patienten, bei denen nachträglich eine Influenza-Infektion per PCR bestätigt wurde. Der tatsächliche klinische Nutzen dürfte in den Zulassungsstudien wesentlich überschätzt sein.

Als Postexpositionsprophylaxe reduzierte Baloxavir gegenüber Placebo signifikant die Häufigkeit symptomatischer, mittels PCR-Test bestätigter Influenzainfektionen bei Haushaltskontakten (2 % vs. 14 %). Allerdings ist die Übertragbarkeit auf den deutschen Versorgungskontext kritisch zu sehen, da nicht nur die Studienteilnehmer, sondern auch alle Indexpatienten eine antivirale Medikation erhielten. Zudem lagen bei dieser Studie fast ausschließlich Infektionen mit dem Influenza-Typ A vor und es wurden nur sehr wenige Patienten über 65 Jahren eingeschlossen.

In den Zulassungsstudien zeigten sich keine spezifischen unerwünschten Wirkungen von Baloxavir. Eine Subgruppenanalyse (n = 109) jugendlicher Patienten zwischen 12 und 17 Jahren ergab in den Zulassungsstudien eine vergleichbare Sicherheit wie bei Erwachsenen. Auf der Grundlage von Post-Marketing-Daten wird angenommen, dass eine Urtikaria bei weniger als 1/1000 Behandlungen auftritt. Die Häufigkeit schwerer allergischer Reaktionen ist nicht bekannt.

Wirksamkeit in den Zulassungsstudien zur Therapie der Influenza

Studiendesign: Zwei randomisierte, doppelblinde, double-dummy Studien untersuchten Baloxavir gegenüber Placebo und Oseltamivir bei Patienten mit Influenza-typischen Symptomen, deren Beginn maximal 48 Stunden zurücklag. Bei allen Patienten wurde ein PCR-Test durchgeführt. Der Studieneinschluss erfolgte vor Erhalt des Testergebnisses, in die Effektivitätsanalyse wurden jedoch nur Patienten mit positivem PCR-Test eingeschlossen (siehe unten). Eine Studienteilnahme war unter anderem nicht möglich für Patienten, deren Krankheitsschwere eine stationäre Therapie erforderte. Die Studie Capstone-1 (1) schloss Patienten ohne Vorerkrankungen zwischen 12 und 64 Jahre ein, die Studie Capstone-2 (2) Patienten ab 12 Jahre mit mindestens einem Risikofaktor für Komplikationen. Als Risikofaktor galten ein Alter ≥ 65 Jahre oder Vorerkrankungen entsprechend den CDC (US Centers for Disease Control and Prevention) Kriterien (3) wie beispielsweise COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung), Herzinsuffizienz, koronare Herzerkrankung oder Diabetes mellitus. Patienten mit einer malignen Grunderkrankung oder mit starker Immunsuppression (u. a. orale Glukokortikoide mit Prednisolonäquivalent > 20 mg/Tag) waren aus der Studie ausgeschlossen.

Die Anwendung von Baloxavir erfolgte als Einmalgabe in gewichtsadaptierter Dosierung (Baloxavir 40 mg bei einem Gewicht von 40 kg bis < 80 kg, Baloxavir 80 mg bei einem Gewicht ≥ 80 kg). Oseltamivir wurde über fünf Tage in der Dosierung von 75 mg zweimal täglich verabreicht. In beiden Studien erfolgte eine Beobachtung bezüglich der Effektivität bis Tag 14, bezüglich der Sicherheit bis Tag 22. Zusätzlich zur Studienmedikation war lediglich eine symptomatische Therapie mit Paracetamol erlaubt. Bei Verdacht auf eine bakterielle Superinfektion konnte außerdem eine antibiotische Therapie erfolgen.

Studienpopulation: Die Studie Capstone-1 randomisierte 1436 Patienten entweder im Verhältnis 2:2:1 zu Baloxavir, Oseltamivir und Placebo (Alter 20–64 Jahre) oder im Verhältnis 2:1 zu Baloxavir und Placebo (Alter 12–19 Jahre; für diese Altersgruppe bestand keine Zulassung für Oseltamivir). In der Studie Capstone-2 wurden 2184 Patienten im Verhältnis 1:1:1 in die drei Studienarme randomisiert. Patienten, die keine Studienmedikation erhalten hatten (< 1 % in beiden Studien) sowie Patienten, deren PCR-Test auf Influenza an Tag 1 negativ war, wurden nicht in die sogenannte Intention-to-treat infected(ITTI)-Analyse einbezogen (26 % in Capstone-1, 45 % in Capstone-2). Zusätzlich wurden in Capstone-2 aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Studiendurchführung 107 Patienten aus der ITTI-Analyse ausgeschlossen. Laut EPAR (European Public Assessment Report) sind die Aussagen des pharmazeutischen Unternehmers zu den betroffenen Zentren widersprüchlich. Aufgrund dieser Ausschlüsse umfassen die ITTI-Analysen 1064 Patienten (Capstone-1) bzw. 1163 Patienten (Capstone-2).

Patientencharakteristika: Die Studie Capstone-1 schloss Patienten aus Japan und den USA ein. In der Studie Capstone-2 stammten gut die Hälfte der Patienten aus Nordamerika und Europa. Zum genauen Anteil europäischer Patienten liegen keine Daten vor. Frauen und Männer wurden in beiden Studien etwa gleich häufig eingeschlossen. Das mediane Patientenalter lag bei 33 Jahren (Capstone-1) bzw. 52 Jahren (Capstone-2). Etwa die Hälfte der Patienten erhielt die erste Dosis der Studienmedikation innerhalb von 24 Stunden nach Symptombeginn. In der Studie Capstone-1 waren weniger als 10 % der Patienten mit dem Influenzavirus B infiziert, in der Studie Capstone-2 lag der Anteil bei etwa 40 %. Unter den Influenzavirus-A-Infektionen dominierte der Subtyp A(H3N2) mit 86 % (Capstone-1) bzw. 48 % (Capstone-2).

Endpunkte: Primärer Endpunkt beider Studien war die Zeit bis zur Genesung von der Influenza-Infektion. Erfasst wurden dabei bis Tag 9 zweimal täglich und dann einmal täglich respiratorische Symptome (Husten, Halsschmerz, behinderte Nasenatmung) und Allgemeinsymptome (Kopfschmerz, Fiebergefühl, Muskel- bzw. Gelenkschmerzen und Erschöpfung). Diese Symptome wurden durch die Patienten selbst entsprechend einer 4-stufigen Skala beurteilt (0 = keine Symptome bis 3 = schwere Symptome) und jeweils in einem elektronischen Patiententagebuch dokumentiert.

Der primäre Endpunkt „Genesung“ wurde unterschiedlich operationalisiert, je nachdem, ob der Patient in den 30 Tagen vor Beginn der akuten Erkrankung bereits an oben genannten Symptomen litt. War der Patient gesund (Capstone-1) oder trotz seiner Vorerkrankungen diesbezüglich asymptomatisch (Capstone-2), so galt als „Genesung“ das Abklingen der akuten Symptomatik, verstanden als Symptomfreiheit oder nur milde Ausprägung aller sieben Symptome für mindestens 21,5 Stunden (time to alleviation of symptoms, TTAS). Für Patienten in der Studie Capstone-2, die infolge ihrer Grunderkrankung schon vor Erkrankungsbeginn an einem oder mehreren Symptomen litten (bspw. Husten bei einer COPD), wurde der primäre Endpunkt abweichend definiert: Symptome, die sich durch die akute Erkrankung gegenüber den 30 Tagen zuvor verschlechtert hatten, mussten um mindestens einen Level (z. B. von schwer zu mäßig) gebessert sein; vorbekannte Symptome, die im Rahmen der akuten Erkrankung nicht zugenommen hatten, durften sich zumindest nicht verschlechtert haben (time to improvement of symptoms, TTIS).

Patientenrelevante sekundäre Endpunkte waren die Häufigkeit Influenza-assoziierter Komplikationen (Tod, Hospitalisierung, Sinusitis, Otitis media, Bronchitis, Pneumonie) sowie die Häufigkeit einer antibiotischen Therapie aufgrund einer bakteriellen Superinfektion. In der Studie Capstone-1 war letzterer kein präspezifizierter Endpunkt. Zu den virologischen Endpunkten gehörten die Dauer des Virusnachweises mittels PCR-Test und quantitative Virustiter. Die sekundären Endpunkte wurden vor Studienbeginn nicht priorisiert und nicht für multiples Testen adjustiert. Daher ist die Analyse der sekundären Endpunkte als explorativ zu betrachten.

Effektivität: In beiden Zulassungsstudien war unter Baloxavir die Dauer Influenza-typischer Symptome im Vergleich zu Placebo signifikant um etwa einen Tag verkürzt (Tabelle 1). Dabei klangen sowohl respiratorische als auch systemische Symptome rascher ab. Subgruppenanalysen fanden einen größeren Vorteil gegenüber Placebo bei einem Behandlungsbeginn innerhalb von 24 (Capstone-1) bzw. 36 Stunden (Capstone-2) nach Symptombeginn. Es zeigte sich in beiden Studien kein signifikanter Unterschied zu Oseltamivir.

In der Studie Capstone-2 traten Influenza-assoziierte Komplikationen dreimal seltener unter Baloxavir auf als unter Placebo. Dieser Unterschied ist vor allem auf die geringere Häufigkeit von Bronchitiden (1,8 % vs. 6,0 %) und Sinusitiden (0,3 % vs. 2,1 %) zurückzuführen. Gegenüber Oseltamivir bestand kein signifikanter Unterschied. Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Studie Capstone-1 (Bronchitis unter Baloxavir 2,0 % vs. Placebo 3,5 % vs. Oseltamivir 1,6 %), obgleich sich hier die Gesamtzahl Influenza-assoziierter Komplikationen zwischen Baloxavir und Placebo nicht unterschieden hat.

Hospitalisierungen waren selten: In der Studie Capstone-1 wurde ein Patient im Oseltamivir-Arm stationär aufgenommen, in der Studie Capstone-2 etwa 1 % der Patienten in allen Studienarmen (Baloxavir 0,8 %, Placebo 1,3 %, Oseltamivir 1,0 %). Es ereignete sich ein Todesfall in der Studie Capstone-2 im Oseltamivir-Arm in Folge einer Pneumonie.

Die Nachweisdauer infektiöser Virusmengen war in beiden Zulassungsstudien unter Baloxavir signifikant verkürzt, sowohl gegenüber Placebo als auch gegenüber Oseltamivir. Die Differenz betrug gegenüber Placebo drei (Capstone-1) bzw. zwei Tage (Capstone-2), gegenüber Oseltamivir jeweils zwei Tage. Erfolgte der Virusnachweis mittels PCR-Test, zeigte sich ebenfalls in beiden Studien eine signifikant kürzere Nachweisdauer unter Baloxavir gegenüber Placebo. Die insgesamt größere Effektivität von Baloxavir gegenüber Oseltamivir in den virologischen Endpunkten spiegelt sich jedoch nicht in einer verkürzten Symptomdauer wider, möglicherweise weil die initial getriggerte inflammatorische Reaktion einen von der Viruslast unabhängigen Verlauf nimmt.

Tabelle 1: Effektivität von Baloxavir in den Zulassungsstudien zur Therapie der Influenza in der ITTI-Population


Jugendliche von 12–19 Jahren machten in der Studie Capstone-1 17 % und in der Studie Capstone-2 5 % der Studienpopulation aus. Der primäre Endpunkt wurde in Capstone-1 bei jugendlichen Patienten unter Baloxavir signifikant früher erreicht als unter Placebo (p = 0,006). Der Effekt war dabei etwas deutlicher ausgeprägt als bei Erwachsenen (mediane Symptomverkürzung 39 h vs. 26 h).

In der Studie Capstone-2 zeigte sich dagegen kein Vorteil von Baloxavir gegenüber Placebo für Jugendliche von 12–19 Jahren. Die mediane Zeit bis zum Erreichen des primären Endpunktes ähnelte sich bei Erwachsenen und Jugendlichen im Oseltamivir-Arm, war jedoch bei Jugendlichen unter Baloxavir und Placebo auffällig lang (188 h und 192 h). Aufgrund der sehr kleinen Stichproben sind diese Ergebnisse am ehesten zufallsbedingt.

Behandlungsbedingte Mutationen: In den Zulassungsstudien erfolgte eine zweimalige Genotypisierung viraler RNA aus nasopharyngealen Abstrichen: vor der ersten Dosis der Studienmedikation und beim letztmalig positiven PCR-Test. Bei 5 % (Capstone-2) bzw. 10 % (Capstone-1) der Patienten wurden nach Baloxavir-Gabe Influenzaviren mit Aminosäureveränderungen an Position 38 des PA-Gens nachgewiesen (PA/I38X-Mutation), während keine Veränderungen des PA-Gens unter Placebo und Oseltamivir beobachtet wurden. Um die möglichen klinischen Auswirkungen zu beurteilen, wurden die primären Wirksamkeitsendpunkte für Patienten mit und ohne PA/I38X-Mutation analysiert. Dabei zeigte sich in der Studie Capstone-1 ein geringerer Behandlungseffekt bei Patienten mit viraler PA/I38X-Mutation. In der Studie Capstone-2 gaben dagegen Patienten mit viraler PA/I38X-Mutation eine geringfügig schnellere Symptombesserung an als Patienten ohne diese Mutation. Aus den vorliegenden Daten lässt sich somit nicht abschließend beurteilen, welche Auswirkungen die PA/I38X-Mutation auf die Effektivität der antiviralen Therapie hat.

Tabelle 2: Effektivität von Baloxavir auf den primären Endpunkt in Abhängigkeit von der PA/I38X-Mutation in den Zulassungsstudien


Wirksamkeit in der Zulassungsstudie zur Postexpositionsprophylaxe der Influenza

Die randomisierte, doppelblinde Studie BLOCKSTONE (4) untersuchte die Effektivität von Baloxavir als Postexpositionsprophylaxe bei Haushaltskontakten eines Indexpatienten mit Influenza gegenüber Placebo. Die Studie fand ausschließlich in Japan statt. Der Symptombeginn des Indexpatienten durfte maximal 48 Stunden vor Studieneinschluss der Haushaltskontakte liegen. Eingeschlossene Haushaltsmitglieder mussten zu Studienbeginn symptomfrei sein. Anders als in Deutschland üblich sah das Studienprotokoll eine antivirale Therapie bei allen Indexpatienten vor. Personen mit Immunsuppression oder schwerer Grunderkrankung (Common Terminology Criteria for Adverse Events ≥ Grad 3) waren von der Teilnahme ausgeschlossen.

752 Haushaltskontakte von 545 Indexpatienten wurden 1:1 randomisiert zu einer Einmalgabe von Baloxavir oder Placebo. Studienteilnehmer ab dem Alter von 12 Jahren erhielten die gleiche gewichtsadaptierte Dosierung wie in den Studien Capstone-1/2. Für Kinder < 12 Jahren erfolgte eine zusätzliche Dosisanpassung (1 mg/kg bei Körpergewicht (KG) < 10 kg, 10 mg bei KG 10 bis < 20 kg, 20 mg bei KG 20 bis < 40 kg, 40 mg bei KG ≥ 40 kg).

Überwiegend waren die Indexpatienten Kinder < 12 Jahre (74 %) und die eingeschlossenen Haushaltskontakte ihre Eltern (69 %) und Geschwister (23 %). Nach Bestätigung der Influenza-Infektion mittels Schnelltest erhielten alle Indexpatienten Baloxavir (53 %) oder einen Neuraminidasehemmer (47 %). Bei 96 % der Indexpatienten lag eine Infektion mit Influenzavirus A vor. Bei 7 % (Baloxavir) bzw. 10 % (Placebo) der Haushaltskontakte bestand bei Studienbeginn ein positiver PCR-Test. Drei Studienteilnehmer mit unvollständig verfügbaren Daten wurden aus der ITT-Analyse ausgeschlossen (< 1 %). Die Charakteristika der Studienteilnehmer waren zwischen den Armen ausgeglichen.

Ebenso wie in den Studien Capstone-1/2 dokumentierten die Studienteilnehmer selbstständig respiratorische Symptome und Allgemeinsymptome entsprechend einer 4-stufigen Skala (siehe oben). Nasopharyngeale Abstriche und PCR-Tests auf Influenza erfolgten an Tag 1, Tag 5, Tag 11 sowie bei Fieber oder Influenza-typischen Symptomen. Primärer Endpunkt war eine mittels PCR-Test bestätigte Influenza-Infektion des Haushaltskontaktes mit Fieber (axilläre Körpertemperatur ≥ 37,5° C) sowie mindestens einem respiratorischen Symptom moderater bis starker Intensität. Dieser Endpunkt wurde unter Baloxavir signifikant seltener erreicht als in der Kontrollgruppe (2 % vs. 14 %). In einer Subgruppenanalyse (n = 98) zeigte sich ein signifikanter Effekt auch bei Patienten mit (nicht näher definierten) Risikofaktoren für Komplikationen (2 % vs. 15 %). Baloxavir hatte numerisch einen etwas geringeren Effekt auf bestätigte symptomatische Influenza-Infektionen, wenn der Indexpatient ebenfalls mit Baloxavir statt mit einem Neuraminidasehemmer behandelt worden war (RR 0,24, 95 % Konfidenzintervall [CI] 0,09–0,61 gegenüber RR 0,07; 95 % CI 0,02–0,27).

Tabelle 3: Effektivität von Baloxavir auf den primären Endpunkt in der Zulassungsstudie zur Postexpositionsprophylaxe der Influenza


Ausgewählte Nebenwirkungen

In den Zulassungsstudien waren die häufigsten unerwünschten Ereignisse (UE) unter Baloxavir mit jeweils 2–3 % Bronchitis, Diarrhö und Übelkeit. Ihre Inzidenz war ähnlich oder niedriger als in der Placebo- und Oseltamivir-Gruppe. Studienabbrüche aufgrund von UE waren selten (< 1 %) und in den Studienarmen vergleichbar. In die Zulassungsstudien waren 109 (5,4 %) jugendliche Patienten zwischen 12 und 17 Jahren eingeschlossen. Eine Subgruppenanalyse ergab ein vergleichbares Sicherheitsprofil.

Seit der Erstzulassung von Baloxavir in Japan im Februar 2018 haben etwa 6 Millionen Menschen Baloxavir erhalten. Aufgrund der Post-Marketing-Daten wird ein kausaler Zusammenhang zwischen Baloxavir und allergischen Reaktionen angenommen. Eine Urtikaria tritt dabei geschätzt bei weniger als 1/1000 Behandlungen auf. Die Häufigkeit schwerer allergischer Reaktionen (Angioödem, anaphylaktische Reaktionen) ist nicht bekannt.

Ausgewählte Warnhinweise/Kontraindikationen/Interaktionen

  • Baloxavir wurde in klinischen Studien nur als Einmalgabe untersucht. Daten zur Effektivität und Sicherheit einer wiederholten Gabe von Baloxavir liegen weder zur Therapie der Influenza noch zur Postexpositionsprophylaxe vor.
  • In den Zulassungsstudien erfolgte die Gabe von Baloxavir innerhalb von 48 Stunden nach Symptombeginn des Patienten bzw. der Kontaktperson. Subgruppenanalysen weisen darauf hin, dass bei früher Einnahme eine höhere Effektivität besteht. Baloxavir sollte deshalb möglichst bald, spätestens jedoch 48 Stunden nach Symptombeginn eingenommen werden.
  • Die gleichzeitige Einnahme polyvalenter Kationen kann die Plasmakonzentration von Baloxavir verringern. Baloxavir soll deshalb nicht zusammen mit Produkten eingenommen werden, die polyvalente Kationen enthalten wie z. B. Laxanzien, Antazida oder Nahrungsergänzungsmittel mit Eisen, Zink, Selen, Kalzium oder Magnesium.
  • Auf Grundlage pharmakokinetischer Daten wird keine Dosisanpassung bei Patienten ≥ 65 Jahre empfohlen.
  • Aufgrund der überwiegend fäkalen Ausscheidung von Baloxavir wird nicht erwartet, dass eine Nierenfunktionsstörung die Elimination von Baloxavir beeinflusst. Eine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz wird deshalb in der Fachinformation nicht empfohlen. Diese Empfehlung stützt sich allerdings weder auf pharmakokinetische Untersuchungen noch auf klinische Studien. In den Zulassungsstudien waren Patienten mit einer GFR < 30 ml/min ausgeschlossen. Die Anzahl der Probanden mit einer GFR 30–59 ml/min ist unbekannt. Ihre Teilnahme war nur in den japanischen Zentren der Studie Capstone-2 sowie in der Studie BLOCKSTONE möglich. Subgruppenanalysen liegen nicht vor.
  • Patienten mit einer Leberfunktionsstörung waren aus den Zulassungsstudien ausgeschlossen, es liegen jedoch Daten aus zwölf Phase-I-Studien zu insgesamt 329 Probanden mit moderat eingeschränkter Leberfunktion vor, die eine gute Verträglichkeit von Baloxavir bei dieser Patientengruppe zeigen. Bei Patienten mit leichter oder mäßiger Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klassifikation A oder B) ist deshalb keine Dosisanpassung erforderlich. Es gibt keine Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von Baloxavir bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klassifikation C).

Abbildung 1: Dosierung und Kosten


Weiterführende Informationen

Nach der frühen Nutzenbewertung durch das IQWiG entscheidet der G-BA über den Zusatznutzen. Sollte sich die AkdÄ mit einer Stellungnahme äußern, wird diese auf der AkdÄ-Website veröffentlicht.

Quelle

Europäischer Öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR) Xofluza®, erschienen am 22. Januar 2021. Die vorliegende Information erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für die Richtigkeit der angegebenen Dosierungen kann keine Gewähr übernommen werden.

 

Literatur
  1. Hayden FG, Sugaya N, Hirotsu N et al.: Baloxavir marboxil for uncomplicated influenza in adults and adolescents. N Engl J Med 2018; 379: 913-923.
  2. Ison MG, Portsmouth S, Yoshida Y et al.: Early treatment with baloxavir marboxil in high-risk adolescent and adult outpatients with uncomplicated influenza (CAPSTONE-2): a randomised, placebo-controlled, phase 3 trial (supplementary appendix). Lancet Infect Dis 2020; 20: 1204-1214.
  3. Centers for Disease Control and Prevention (CDC): People at high risk for flu complications: www.cdc.gov/flu/highrisk/index.htm (letzter Zugriff: 22. April 2021). Stand: 11. Februar 2021.
  4. Ikematsu H, Hayden FG, Kawaguchi K et al.: Baloxavir marboxil for prophylaxis against influenza in household contacts (supplementary appendix). N Engl J Med 2020; 383: 309-320.

Hinweise

Arzneimittel, die mit einem schwarzen Dreieck (▼) gekennzeichnet sind, unterliegen einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden.

„Neue Arzneimittel“ ist eine Information der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) zu neu zugelassenen Arzneimitteln oder zu neu zugelassenen Indikationen. Ziel ist es, den Ärzten zeitnah Informationen zu diesen Arzneimitteln zur Verfügung zu stellen, zunächst bei Markteinführung sowie nach der frühen Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) (§ 35a Absatz 1 SGB V). „Neue Arzneimittel“ bei Markteinführung enthält Informationen basierend auf dem Europäischen Öffentlichen Bewertungsbericht (EPAR) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) sowie weiteren bei Markteinführung vorliegenden Daten aus klinischen Studien. Nach Abschluss der frühen Nutzenbewertung wird der Zusatznutzen des neuen Arzneimittels und seine therapeutische Bedeutung auf der Basis der Dossierbewertung des IQWiG, der Stellungnahme der AkdÄ und des Beschlusses des G-BA im Rahmen der frühen Nutzenbewertung dargestellt („Update – Neue Arzneimittel“).

vorab online

Dieser Artikel wurde am 4. Mai 2021 vorab online veröffentlicht.