Bezlotoxumab zur Vorbeugung rekurrenter Infektionen mit Clostridium difficile: Stärken und Schwächen der Zulassungsstudien MODIFY I und MODIFY II

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 1/2018

Autor

Zusammenfassung

Bezlotoxumab reduzierte in zwei randomisierten Studien die Rate an Rezidiven von Clostridium-difficile-Infektionen absolut um 10 %. Drei Viertel der Studienpatienten hatten eine Erstinfektion mit Clostridium difficile und bei 40 % wurde die auslösende Antibiotikatherapie fortgesetzt. Auch vor dem Hintergrund der hohen Therapiekosten scheint daher eine Euphorie über die Einführung dieses neuen Behandlungsprinzips zur Vorbeugung rekurrenter Infektionen nicht geboten.

Abstract

In two randomized studies, bezlotoxumab reduces the rate of recurrencies of Clostridium difficile infections absolutely by 10 %. Three fourth of the study patients had a first infection with Clostridium difficile and in 40 % the releasing antibiotic therapy was continued. Keeping the high therapy costs in mind an euphoria about the introduction of this new principle of treatment for the prevention of recurrent Clostridum difficile infections seems not to be appropriate.

Infektionen mit Clostridium difficile sind ein zunehmendes Problem für das Gesundheitswesen. In Deutschland hat die Rate an stationären Behandlungen mit Clostridium-difficile-Infekten innerhalb weniger Jahre von 50.000 auf 100.000 pro Jahr zugenommen (1). Grundsätze der Behandlung sind das Absetzen einer die Erkrankung begünstigenden Antibiotikatherapie, wann immer dies möglich ist, und die Behandlung mit Metronidazol, oder Vancomycin per os, gegebenenfalls auch zusätzlich Metronidazol intravenös (in Abhängigkeit von Erkrankungsschwere/Rezidiv und Situation) (2). Zumindest im ersten Rezidiv ist Fidaxomicin den beiden genannten Antibiotika überlegen (allerdings auch deutlich teurer) (3). Für wiederholte Rezidive kann heute der fäkale Mikrobiomtransfer mit einer Heilungsquote von über 90 % (gegenüber 60 % mit Vancomycin) durchgeführt werden (4;5). Neueste Daten sprechen dafür, dass möglicherweise nicht die bakterielle Zusammensetzung des Stuhls für die Entwicklung einer Clostridium-diffizile-Infektion und deren Heilung bedeutsam ist, sondern das Vorhandensein oder Fehlen bestimmter Bakteriophagen (6).

Actoxumab und Bezlotoxumab sind humane monoklonale Antikörper, die Clostridium-difficile-Toxin A und B binden und neutralisieren. Beide Substanzen ersetzen die antibiotische Therapie nicht (7). Die Zulassung von Actoxumab wurde aufgrund fehlender Wirksamkeit und erhöhter Mortalität nicht weiter verfolgt. Bezlotoxumab wurde im Januar 2017 unter dem Handelsnamen Zinplava® zugelassen (8). Die Behandlungskosten liegen bei ca. 3500 Euro pro Therapie. Die Firma Merck und medizinische Fachgesellschaften haben deutsche Kliniken im Herbst 2017 in der Erstellung von Anträgen zur Anerkennung als neues Behandlungs- und Untersuchungsverfahren (NUB) zur gesonderten Abrechenbarkeit mit den Kostenträgern unterstützt.

Studiendesign

Insgesamt 2655 Patienten mit Clostridium-difficile-Infekt wurden in zwei doppelblinde, randomisierte, placebokontrollierte Phase-III-Studien eingebracht (Modified I und Modified II) (6). Die Patienten erhielten eine Standard-Antibiotikatherapie, deren Auswahl von den Studienprotokollen nicht vorgegeben war. Die Teilnehmer wurden in gleich große Gruppen randomisiert für die Gabe von Bezlotoxumab (10 mg/kg Körpergewicht einmalig), Actoxumab plus Bezlotoxumab (jeweils 10 mg/kg Körpergewicht einmalig) oder Placebo (0,9-prozentige Kochsalzlösung) und – zusätzlich in der MODIFY-I-Studie – Actoxumab als Einzelsubstanz in einem vierten Arm. Dieser letztere Studienarm wurde in MODIFY II nicht durchgeführt, nachdem sich in MODIFY I eine fehlende Wirksamkeit bei erhöhter Mortalität für Actoxumab gezeigt hatte. Die Patienten wurden bis 90 Tage ab Applikation der Studienmedikation nachbeobachtet.

Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten mit erneuter Clostridien-difficile-Infektion nach initial erfolgreicher Behandlung. Es erfolgte eine Subgruppenanalyse nach den bekannten Risikofaktoren einer Clostridium-difficile-Infektion: Alter über 65 Lebensjahre, vorausgegangene Infektion mit Clostridium difficile, supprimiertes Immunsystem, schwere Infektion, Infektion mit einem Keim mit erhöhtem Risiko für schweren Verlauf oder Tod (Subtypen 027, 078, 244). Als sekundärer Endpunkt ausgeweitet wurde der Anteil der Patienten mit anhaltendem klinischen Ansprechen („sustained clinical response“) nach zwölf Wochen bei initialem Therapieerfolg.

Ergebnisse

Aufgrund der Definition des primären Endpunktes, der eine erfolgreich abgeschlossene konventionelle Therapie voraussetzte, sind in die Analyse 2174 von initial 2655 Teilnehmern eingegangen (85 %; 7 % der Teilnehmer sind in der Initialphase gestorben, 4 % haben die Zustimmung zurückgezogen, 3 % sind im Follow-up verloren gegangen). 40 % der Studienteilnehmer wurden in Europa rekrutiert, zwei Drittel wurden stationär behandelt, etwas über die Hälfte war älter als 65 Jahre. Bei drei Viertel der Teilnehmer lag eine Erstinfektion vor (keine Clostridieninfektion in den letzten sechs Monaten). Etwa 15 % hatten zwei oder mehr vorausgegangene Infektionen, ebenfalls 15 % hatten einen schweren Verlauf, 20 % waren immunsupprimiert. Für 40 % bzw. 35 % der Studienpatienten wird angegeben, dass sie während bzw. nach der Standardbehandlung der Clostridieninfektion Antibiotika eingenommen haben. Die Wirksamkeit der konventionellen Therapie in der initialen Behandlungsphase wird für alle Gruppen mit 80 % angegeben. Es gab keine wesentlichen Unterschiede in der Zusammensetzung der Populationen in den verschiedenen Behandlungsgruppen.

In dieser Studienpopulation senkte Bezlotoxumab die Häufigkeit einer erneuten Clostridien-difficile-Infektion signifikant um 10 % von ca. 27 % auf 17 % (p < 0,001). Die Rate an anhaltender Heilung betrug in der Bezlotoxumab-Gruppe 64 % und unter Placebo 54 %.

Kommentar

Bezlotoxumab zeigt in den vorgestellten Studien eine signifikante Wirksamkeit in der Reduktion der Häufigkeit eines Clostridium-difficile-Rezidivs. Allerdings profitieren 90 % der behandelten Patienten nicht – überwiegend, weil sie sowieso kein Rezidiv erlebt hätten (73 %) oder weil sie trotz des Antikörpers ein Rezidiv erleiden (16 %). Diese Feststellung zieht sich durch alle analysierten Subgruppen. Es gibt keine Untergruppe, die in herausgehobener Weise profitiert. Für Patienten mit Risikosubtypen des Erregers und für Patienten, die mit Fidaxomicin behandelt wurden, erscheinen die Unterschiede sogar nicht signifikant. Auch wird bei Patienten mit zwei oder mehr Clostridienepisoden in der Vorgeschichte das Signifikanzniveau nur knapp erreicht. Dies mag daran liegen, dass diese Patientengruppen in den untersuchten Populationen eher klein waren; 75 % der Studienteilnehmer erlebten ihre erste Clostridienepisode.

Bezlotoxumab zielt ausschließlich auf die Rezidivrate einer Clostridieninfektion. Es hat keinen Einfluss auf die Morbität und Mortalität der aktuellen Behandlungsepisode.

Am Ende muss man feststellen, dass die vorgestellten Studien nicht in der Lage sind zu zeigen, welcher Patient von einer Behandlung mit Bezlotoxumab profitieren wird. Und man kann davon ausgehen, dass bei einer Publikation, deren erste Fassung ein Mitarbeiter des pharmazeutischen Unternehmens geschrieben hat, auch wirklich jeder positive und klinisch verwertbare Aspekt dargestellt worden ist.

Nicht zu vergessen ist der Blick auf die Behandlungskosten: Wenn man alle Patienten mit einer Erstinfektion mit Clostridium difficile wie in diesen Studien mit Bezlotoxumab behandelte, wären das nur auf die stationären Behandlungen bezogen bis zu einer halben Milliarde Euro zusätzliche Kosten pro Jahr. Trotzdem würden mehr als 15 % der Patienten ein Rezidiv erleiden.

Abschließend eine bedenkliche Beobachtung aus dieser Studie: Obwohl in allen Leitlinien zur Therapie der Clostridium-difficile-Infektion als erster Punkt das Absetzen des verantwortlichen Antibiotikums angestrebt werden soll, wurden in der Studienpopulation 40 % während und 35 % nach der Initialbehandlung der Clostridieninfektion antibiotisch therapiert.

Fazit

Bezlotoxumab senkt die Häufigkeit von Rezidiven einer Clostridium-difficile-Infektion signifikant. 90 % der behandelten Patienten werden unnötig oder nicht erfolgreich therapiert. Die Therapiekosten sind hoch. Die sich daraus ergebende Frage, welcher Patient mit dem Antikörper behandelt werden sollte, kann mit den vorgelegten Daten nicht beantwortet werden. Nach den derzeitigen Daten wird die Gabe von Bezlotoxumab daher von uns nicht empfohlen.

 

Interessenkonflikte

U. Rosien erhielt Honorare für Fortbildungsveranstaltungen und Vorträge von Falk Foundation und Olympus.

Literatur
  1. Lynen Jansen P, Stallmach A, Lohse AW, Lerch MM: [Development of gastrointestinal infectious diseases between 2000 and 2012]. Z Gastroenterol 2014; 52: 549-557.
  2. Cohen SH, Gerding GN, Johnson S et al.: Clinical practice guidelines for Clostridium difficile infection in Adults: 2010 update by the Society for Healthcare Epidemiology of America (SHEA) and the Infectious Diseases Society of America (IDSA). Infect Control Hosp Epidemiol 2010; 31: 431-455.
  3. Crook DW, Walker AS, Kean Y et al.: Fidaxomicin versus vancomycin for Clostridium difficile infection: meta-analysis of pivotal randomized controlled trials. Clin Infect Dis 2012; 55 (Suppl 2): S93-103.
  4. Cammarota G, Ianiro G, Tilg H et al.: European consensus conference on faecal microbiota transplantation in clinical practice. Gut 2017; 66: 569-580.
  5. König J, Siebenhaar A, Högenauer C et al. Consensus report: faecal microbiota transfer – clinical applications and procedures. Aliment Pharmacol Ther 2017; 45: 222-239.
  6. Zuo T, Wong SH, Lam K et al.: Bacteriophage transfer during faecal microbiota transplantation in Clostridium difficile infection is associated with treatment outcome. Gut 2017; pii: gutjnl-2017-313952.
  7. Wilcox MH, Gerding DN, Poxton IR et al.: Bezlotoxumab für prevention of recurrent Clostridium difficile infection. N Engl J Med 2017; 376: 305-317.
  8. European Medicines Agency (EMA): Zinplava® - Bezlotoxumab: European Public Assessment Report (EPAR) (Assessment Report): www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/EPAR_-_Product_Information/human/004136/WC500222641.pdf (letzter Zugriff: 12. Dezember 2017). London, 27. September 2017.

„Neue Arzneimittel“ ist eine Information der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) zu neu zugelassenen Arzneimitteln oder zu neu zugelassenen Indikationen. Ziel ist es, den Ärzten zeitnah Informationen zu diesen Arzneimitteln zur Verfügung zu stellen, zunächst bei Markteinführung sowie nach der frühen Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) (§ 35a Absatz 1 SGB V). „Neue Arzneimittel“ bei Markteinführung enthält Informationen basierend auf dem Europäischen Öffentlichen Bewertungsbericht (EPAR) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) sowie weiteren bei Markteinführung vorliegenden Daten aus klinischen Studien. Nach Abschluss der frühen Nutzenbewertung wird der Zusatznutzen des neuen Arzneimittels und seine therapeutische Bedeutung auf der Basis der Dossierbewertung des IQWiG, der Stellungnahme der AkdÄ und des Beschlusses des G-BA im Rahmen der frühen Nutzenbewertung dargestellt („Update – Neue Arzneimittel“).