Ernährung (z. B. FODMAP-Diät*) in der Behandlung des Reizdarmsyndroms

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 3/2016

Autor

Zusammenfassung

Das Reizdarmsyndrom ist eine häufige, chronische Erkrankung, deren Symptome multifaktoriell begründet sind. Eine Beeinflussbarkeit der Symptome durch Diät ist seit Längerem bekannt. In letzter Zeit wird – vor allem in der Laienpresse – eine Low-FODMAP-Diät propagiert, bei der konsequent Mehrfach- und Einfachzucker und Zuckeralkohole ausgelassen werden. Anhand der publizierten randomisierten Studien wird diese diätetische Behandlungsoption bewertet.

Abstract

Irritable bowel syndrome is a common chronic illness with symptoms of multifactorial origin. Dietary measures are a long-known option for tempering symptoms. Lately, a low FODMAP diet, which strictly avoids polyvalent and monovalent carbohydrates and carbohydrate alcohols, has been propagated as a remedy – particularly in the lay press. In this article, this dietary treatment option is discussed on the basis of published randomised study results.

Beschwerden einer funktionellen Darmerkrankung (Reizdarm) finden sich häufig in der Allgemeinbevölkerung. Schätzungen gehen von einer Gesamtzahl von ca. 20 Mio. Personen mit Symptomen des unteren Gastrointestinaltraktes in Deutschland aus (1). Ca. 30 % (7 Mio.) suchen aufgrund dieser Beschwerden einen Arzt auf, und bei 40 % von dieser Gruppe (3 Mio.) liegt letztendlich ein Reizdarm vor, wobei mehr Frauen als Männer betroffen sind.

Die Krankheit des Reizdarmsyndroms (RDS; Irritable Bowel Syndrome/IBS) liegt vor, wenn alle drei Punkte erfüllt sind (1):

  1. Es bestehen chronische, d. h. länger als drei Monate anhaltende Beschwerden (z. B. Bauchschmerzen, Blähungen), die von Patient und Arzt auf den Darm bezogen werden und in der Regel mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen.
  2. Die Beschwerden sollen begründen, dass der Patient deswegen Hilfe sucht und/oder sich sorgt, und so stark sein, dass die Lebensqualität hierdurch relevant beeinträchtigt wird.
  3. Voraussetzung ist, dass keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen Veränderungen vorliegen, welche wahrscheinlich für diese Symptome verantwortlich sind.

Die Pathophysiologie des Reizdarmsyndroms ist nicht vollständig geklärt. Es scheinen verschiedene Faktoren eine Rolle zu spielen und in einem ähnlichen Symptomenbild zu münden. Zu nennen ist hier u. a. eine intestinale Hypersensitivität, gestörte Barrierefunktionen der Mukosa, veränderte Motilität, Veränderungen im intestinalen Mikrobiom und immunologische Faktoren (subklinische Inflammation) (1). Folglich gibt es auch keine einheitliche, für alle Patienten geltende Behandlungsstrategie. Die Therapie zielt auf Symptommilderung, eine kausale Behandlung gibt es bislang nicht.

Nahrungsmittelunverträglichkeiten (abzugrenzen von Nahrungsmittelallergien) werden von vielen Betroffenen angegeben. Daraus entsteht u. a. der Ansatz, dass durch eine spezielle Ernährungsweise die Erkrankung positiv beeinflusst werden kann.

In den aktuellen S3-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) zum Reizdarm und funktionellen Darmerkrankungen wurden die hierzu vorliegenden Evidenzen in folgende Aussagen zusammengefasst (1;2):

  • Es gibt keine spezielle Ernährung (Diät) in der Prävention oder kausalen Therapie eines Reizdarmes.
  • Es gibt keine spezielle Diät, die für alle Patienten geeignet ist.
  • Es gibt aber durchaus individuelle Ernährungsempfehlungen, die sich an den Symptomen orientieren und dadurch eine Besserung der Beschwerden erreicht werden kann.

In diesem Kontext wird aktuell besonders die sogenannte FODMAP-Diät propagiert, die im Folgenden näher betrachtet werden soll.

FODMAP-Diät

Vergärbare Mehrfachzucker (z. B. Laktose, Stärke), Einfachzucker (wie Fruktose/Fruchtzucker) und Zuckeralkohole (Süßstoffe) werden unter dem aus den englischen Anfangsbuchstaben dieser Substanzen zusammengesetzten Akronym FODMAP zusammengefasst. FODMAP steht für „Fermentable Oligosaccharides, Disaccharides, Monosaccharides and Polyols“. Wie diese einzelnen Substanzen Beschwerden hervorrufen können, ist in Abbildung 1 schematisch dargestellt. Interessanterweise wurde die FODMAP-Diät ursprünglich für Patienten mit CED konzipiert, findet jetzt aber Anwendung insbesondere bei Patienten mit Reizdarmsyndrom.

Abbildung 1: Mögliche negative Effekte von Kohlenhydraten (vergärbaren Mehrfachzuckern; FODMAP) in der Ernährung


Bei der FODMAP-Diät handelt es sich im Wesentlichen um eine Kohlenhydrat-Reduktions-/Eliminationsdiät (3). Wie bereits oben im Text dargestellt, werden hier die vergärbaren Kohlenhydrate wie Mehrfachzucker, Einfachzucker (wie Fruktose/Fruchtzucker), Doppelzucker (Laktose/Milchzucker) und Zuckeralkohole (Süßstoffe) vermieden. Die kurzkettigen Kohlenhydratverbindungen wie Fruktose, Fruktane, Laktose, Galaktose sowie die Zuckeraustauschstoffe Xylit, Sorbit und Maltit bewirken u. a. einen vermehrten osmotischen Einstrom von Flüssigkeit in den Darm und können so Diarrhoen auslösen. Kommen diese Kohlenhydratverbindungen vermehrt in den Dickdarm, entsteht durch den dort stattfindenden bakteriellen Abbau zusätzlich eine vermehrte Gasbildung (Meteorismus). Darüber hinaus erfolgt aber durch die Auswahl der FODMAP-armen Nahrungsbestandteile auch eine Reduktion von Weizen und damit von Gluten, welches unter dem Aspekt der neuerdings verstärkt in den Blick geratenen Glutensensitivität einen weiteren Wirkmechanismus darstellen könnte.

Tabelle 1: Beispiele für Nahrungsmittel mit hohem und niedrigem FODMAP-Gehalt*


Tabelle 1 gibt einen Eindruck, wie stark eine strenge FODMAP-Diät das Spektrum der erlaubten Nahrungsmittel einschränkt und damit auch die Einhaltung der Diät erschwert. Nach einer anfänglichen zwei- bis vierwöchigen strikten Einhaltung der Diät soll dann die individuelle Einführung einzelner Lebensmittel unter Dokumentation des Effektes festgehalten werden und somit letztendlich ein individueller, möglichst vielfältiger Speiseplan erstellt werden. Ziel sollte es sein, mit möglichst geringer Einschränkung eine akzeptable klinische Symptomatik zu erreichen.

Die Ernährung hat einen wesentlichen Einfluss auf die Zusammensetzung und Funktion der intestinalen Mikrobiota (Darmbakterien) (4). Faktoren sind hierbei der Anteil der Kohlenhydrate, bestimmte Fette und deren Abbauprodukt Butyrat und der Anteil der Ballaststoffe, die von den Bakterien im Dickdarm als Hauptquelle ihres Energiestoffwechsel genutzt werden. Damit scheinen weitere mögliche Wirkmechanismen, aber auch potenzielle Risiken der Low-FODMAP-Diät identifiziert zu sein.

Aktuelle Studienlage zur Low-FODMAP-Diät

In einigen retrospektiven und unkontrollierten Studien, aber mittlerweile auch in vier randomisierten kontrollierten Studien (RCT) wurde gezeigt, dass eine Low-FODMAP-Diät bei Reizdarmpatienten subjektive Beschwerden reduziert (siehe Tabelle 2) (5–7;9):

  • In einer randomisierten kontrollierten Studie mit Cross-over-Design fand sich unter einer Low-FODMAP-Diät verglichen mit einer typischen (hier: australischen) Ernährung eine Verbesserung der Symptome (Schmerzen, Völlegefühl, Flatulenz) der Reizdarmpatienten im Vergleich zu der Standardernährung (5).
  • In einer weiteren randomisierten kontrollierten Studie verglichen Ong et al. (6) den Effekt einer FODMAP-reichen mit einer FODMAP-armen Ernährung (50 g versus 9 g fermentierbare Kohlenhydrate pro Tag). Patienten mit Reizdarmsyndrom litten unter der FODMAP-reichen Diät verstärkt an gastrointestinalen Symptomen und fühlten sich träge.

Beide Studien zeigten somit eine Wirksamkeit der FODMAP-Diät. Aufgrund des sehr kurzen Studiendesigns kann hieraus jedoch nicht auf die Wirksamkeit und die Umsetzbarkeit im Lebensalltag rückgeschlossen werden. Diese Lücke schließt die Studie von Staudacher et al. (7). In einer retrospektiven Arbeit analysierte er den Effekt einer Ernährungsberatung bei Probanden mit dem Reizdarmsyndrom hinsichtlich Low-FODMAP-Diät. Nach vier Wochen Diät zeigten 68 % der Probanden, welche eine Ernährungsberatung erhielten, eine Linderung der Symptome Blähungen, Flatulenz, Abdominalschmerzen, plötzlichem Stuhldrang und veränderter Stuhlkonsistenz, wohingegen in der Kontrollgruppe unter gewöhnlicher Diät nur 23 % der Patienten eine Besserung berichteten.

Auch bereits bevor die FODMAP-Diät in den Fokus gestellt wurde, gab es allgemeine Ernährungsempfehlungen für Patienten mit Reizdarmsymdrom (Britische Guideline (8)). Diese umfassen u. a. folgende Punkte:

  • regelmäßige Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten
  • Vermeiden von übermäßigen Essensmengen
  • reduzierte Fettaufnahme
  • verminderte Zufuhr von blähenden Substanzen (z. B. Bohnen, Zwiebeln)
  • Vermeiden von Süßstoffen und Softdrinks (vi) und eine über den Tag verteilte Zufuhr von Ballaststoffen.

Diese Diätempfehlung betont vor allem, wie und wann gegessen wird und weniger was gegessen wird.

In einer aktuellen, randomisierten kontrollierten Studie konnte in einem alltagsnahen Studiendesign kein signifikanter Unterschied einer Low-FODMAP-Diät im Vergleich zu diesen konventionellen Empfehlungen bei Patienten mit Reizdarmsyndrom gezeigt werden (9): Eingeschlossen wurden Reizdarmpatienten mit einem IBS-SSS-Score-Wert von > 175 Punkte (IBS-SSS: in Studien häufig verwendeter, validierter, vierseitiger Fragebogen zu Häufigkeit und Ausprägung verschiedener Symptome bei Reizdarmsyndrom). Der mittlere IBS-SSS-Wert lag bei 318 ± 67 und 302 ± 64. Eine signifikante Verbesserung der Symptomatik wurde definiert als eine Verbesserung des IBS-SSS-Score um > 50 Punkte. 50 % der 38 Patienten in der Low-FODMAP-Diät und 46 % der 37 Patienten mit der traditionellen Diät erreichten nach vier Wochen eine signifikante Verbesserung (77 ± 110 vs. 65 ± 84; p = 0,62). Fünf Patienten in der Low-FODMAP- und drei Patienten in der traditionellen Diätgruppe hatten die Studie vorzeitig abgebrochen. Bemerkenswert ist, dass in beiden Gruppen eine signifikante Reduktion der Kalorienaufnahme, aber auch der Proteinaufnahme zu beobachten war.

Tabelle 2: Relevante Studien zum Effekt einer reduzierten FODMAP-Diät zur Symptomkontrolle bei Patienten mit Reizdarmsyndrom


Die vorliegenden Studiendaten belegen, dass eine Low-FODMAP-Diät, aber auch eine Ernährungsumstellung basierend auf bisherigen traditionellen Empfehlungen geeignet sind, bei einem Teil der Patienten mit Reizdarm eine Verbesserung der Symptomatik zu bewirken. Eine individualisierte Ernährungsberatung sollte zunächst auf den traditionellen Empfehlungen basieren und die Low-FODMAP-Diät als therapeutische Option bei unzureichendem Ansprechen anbieten.

Zu beachten ist, dass jede Art einer besonderen − von einer leichten Vollkost abweichenden − Ernährung und insbesondere eine weiterreichende spezifische Eliminationsdiät das Risiko einer Fehlernährung (z. B. Mangel an Makro- und Mikronährstoffen) beinhaltet; dies wurde auch für die FODMAP-Diät beobachtet (9).

Es ist daher zu empfehlen, länger dauernde Ernährungsmodifikationen/Diäten unter Beratung einer entsprechenden Ernährungsfachkraft (z. B. Diätassistentin oder Ernährungsberatung) durchzuführen. Diese sind auch in der Lage, Mangelsituationen vorzubeugen und zusätzlich auf versteckte, nicht gewünschte Nahrungsbestandteile hinzuweisen und damit den Effekt einer Modifikation zu verbessern.

Fazit für die Praxis

Eine kausale Therapie des Reizdarmsyndroms gibt es bislang nicht. Eine Ernährungsumstellung hat das Potenzial, eine symptomatische Besserung zu erreichen. So ist eine Low-FODMAP-Diät geeignet, bei einem Teil der Patienten Symptome eines Reizdarmsyndroms günstig zu beeinflussen. Dies erreicht man aber auch durch konventionelle Ernährungsempfehlungen, die in Bezug auf „erlaubte“ Nährstoffe oftmals weniger restriktiv sind. Eine individualisierte und qualifizierte Ernährungsberatung unter Berücksichtigung der Lebenssituation ist sinnvoll. Restriktive Diäten wie Low-FODMAP sollten wegen des Risikos von Mangel nicht über einen längeren Zeitraum unmodifiziert eingehalten werden.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.

Literatur
  1. Layer P, Andresen V, Pehl C, et al. [Irritable bowel syndrome: German consensus guidelines on definition, pathophysiology and management]. Z Gastroenterol 2011; 49: 237-293.
  2. Keller J, Wedel T, Seidl H, et al. [S3 guideline of the German Society for Digestive and Metabolic Diseases (DGVS) and the German Society for Neurogastroenterology and Motility (DGNM) to the definition, pathophysiology, diagnosis and treatment of intestinal motility]. Z Gastroenterol 2011; 49: 374-390.
  3. Goebel-Stengel M, Monnikes H. [Malabsorption of fermentable oligo-, di-, or monosaccharides and polyols (FODMAP) as a common cause of unclear abdominal discomfort]. Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 1310-1314.
  4. Halmos EP, Christophersen CT, Bird AR, et al. Diets that differ in their FODMAP content alter the colonic luminal microenvironment. Gut 2015; 64: 93-100.
  5. Halmos EP, Power VA, Shepherd SJ, et al. A diet low in FODMAPs reduces symptoms of irritable bowel syndrome. Gastroenterology 2014; 146: 67-75.
  6. Ong DK, Mitchell SB, Barrett JS, et al. Manipulation of dietary short chain carbohydrates alters the pattern of gas production and genesis of symptoms in irritable bowel syndrome. J Gastroenterol Hepatol 2010; 25: 1366-1373.
  7. Staudacher HM, Whelan K, Irving PM, et al. Comparison of symptom response following advice for a diet low in fermentable carbohydrates (FODMAPs) versus standard dietary advice in patients with irritable bowel syndrome. J Hum Nutr Diet 2011; 24: 487-495.
  8. McKenzie YA, Alder A, Anderson W, et al. British Dietetic Association evidence-based guidelines for the dietary management of irritable bowel syndrome in adults. J Hum Nutr Diet 2012; 25: 260-274.
  9. Böhn L, Storsrud S, Liljebo T, et al. Diet low in FODMAPs reduces symptoms of irritable bowel syndrome as well as traditional dietary advice: A randomized controlled trial. Gastroenterology 2015; 149: 1399-1407.
  10. Pedersen N, Andersen NN, Vegh Z, et al. Ehealth: Low FODMAP diet vs Lactobacillus rhamnosus GG in irritable bowel syndrome. World J Gastroenterol 2014; 20: 16215–16226.

Fußnote

* FODMAP: Fermentable Oligosaccharides, Disaccharides, Monosaccharides and Polyols; deutsch: „fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole“