Kalziphylaxie nach Behandlung mit Etelcalcetid

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 1/2021

Autor

Zusammenfassung

Fallbericht über eine Kalziphylaxie nach Therapie eines Hyperparathyreoidismus mit Etelcalcetid (Parsabiv®).

Etelcalcetid (Parsabiv®) ist ein synthetischer, kalzimimetisch wirksamer Peptidwirkstoff, welcher die PTH-Sekretion durch Bindung und Aktivierung des Kalziumsensitiven Rezeptors erniedrigt. Die Verringerung des PTH-Spiegels korreliert mit einer gleichzeitigen Verringerung der Serumkalzium- und -phosphatspiegel (1). Etelcalcetid ist indiziert zur Behandlung des sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT) bei erwachsenen Patienten mit chronischer Nierenerkrankung („chronic kidney disease“, CKD), die sich einer Hämodialysetherapie unterziehen.

Der AkdÄ wurde der Fall eines 47-jährigen Dialysepatienten gemeldet, der wegen eines Rezidivs eines Hyperparathyreoidismus mit Zustand nach Parathyreoidektomie fünf Monate lang mit Etelcalcetid (15 mg/Woche i.v.) behandelt wurde. Das intakte Parathormon (iPTH) sank von 685 pg/ml auf 23,9 pg/ml, sodass die Gabe gestoppt wurde. Etwa drei Monate später zeigte sich klinisch eine Kalziphylaxie der Bauchhaut, die in einer Biopsie histologisch nicht gesichert werden konnte. Es wurde eine Therapie mit Natriumthiosulfat eingeleitet und die Dialysebehandlung auf 6 x/Woche intensiviert. Der Patient zeigte nur geringes Ansprechen auf die Therapie. In einer CT-Untersuchung wurden subkutane Verkalkungen im Unterhautfettgewebe des Bauchbereich festgestellt.

In der Vorgeschichte des Patienten ist ein Diabetes mellitus Typ 1 und eine schwere 3-Gefäß-KHK berichtet. Die Dialysepflicht bestand etwa acht Jahre, danach erfolgte eine Nierentransplantation und erneute Dialysepflicht drei Jahre später. Der Patient erhielt zudem ASS, Ticagrelor, Ciclosporin, Metoprolol, Candesartan, Atorvastatin und Ezetimib, aber keine Vitamin-K-Antagonisten.

Eine Kalziphylaxie ist eine seltene lebensbedrohliche Erkrankung mit sehr schlechter Prognose (Überlebenszeit nach Diagnosestellung < 1 Jahr) (2). Extrem schmerzhafte subkutane vaskuläre Verkalkungen, die im Verlauf exulzerieren, charakterisieren diese Erkrankung. Typischerweise sind Patienten mit Nierenersatztherapie betroffen, die ohnehin ein hohes Risiko für vaskuläre und extravaskuläre Kalzifikationen haben. Früher führte man dies auf ein erhöhtes Kalzium-Phosphat-Produkt als alleinige Ursache zurück. Inzwischen gibt es aber Hinweise auf Zusammenhänge mit dem Vitamin-K-Stoffwechsel: Patienten mit Vitamin-K-Antagonisten sind häufiger betroffen, sodass sogar diskutiert wird, Phenprocoumon in der Indikation Vorhofflimmern bei Dialysepatienten gar nicht mehr einzusetzen. Letztlich ist aber die Ursache dieses extrem hohen Risikos zur Verkalkung ungeklärt. Risikofaktoren einer Kalziphylaxie sind Übergewicht, weibliches Geschlecht, Diabetes mellitus, Dialysepflicht > 2 Jahre und erhöhtes Kalzium-Phosphat-Produkt. 45 % der Dialysepatienten haben zum Zeitpunkt der Diagnose ein erniedrigtes iPTH, sodass eine zu starke Unterdrückung des PTH mit konsekutiv adynamen Knochen die extraskeletalen Kalzifizierungen auslösen könnte (2).

Insofern ist der gemeldete Fall typisch für diesen vermuteten Pathomechanismus: Sehr starke und schnelle Unterdrückung des iPTH mit darauffolgend Auftreten einer Kalziphylaxie. Die Kalziphylaxie erscheint klinisch eindeutig, auch wenn die Histologie nicht aussagekräftig war. Das Ergebnis der CT-Untersuchung – subkutane Verkalkungen – stützt zudem die Diagnose. Wegen der Gefahr bleibender Ulzerationen wird bei eindeutiger Klinik ohnehin auf eine Biopsie verzichtet (2).

In der Europäischen Datenbank gemeldeter Verdachtsfälle von Arzneimittelnebenwirkungen EudraVigilance sind von 911 gemeldeten Fällen unter Etelcalcetid, neun Meldungen (Stand 11/2020) von Kalziphylaxie vertreten (dieser ist einer davon). Nur einer der neun Fälle nahm einen Vitamin-K-Antagonisten als weiteren begünstigenden Faktor ein.

In der Fachinformation von Parsabiv® werden als sehr häufige Nebenwirkungen von Etelcalcetid verringerte Kalziumspiegel im Blut, Muskelkrämpfe, Diarrhoe, Übelkeit und Erbrechen genannt. Bei der Mehrzahl der Patienten werden sie im Schweregrad als mild bis mäßig angegeben und traten vorübergehend auf. Ein Abbruch der Therapie aufgrund von Nebenwirkungen war hauptsächlich auf niedrige Kalziumwerte im Blut, Übelkeit und Erbrechen zurückzuführen (1). Kontrollen der iPTH-Spiegel unter Therapie werden alle drei Monate empfohlen. Etelcalcetid sollte abgesetzt oder zumindest unterbrochen werden, wenn der iPTH-Spiegel unter 100 pg/ml sinkt (1).

Verdachtsfälle von Nebenwirkungen sollten der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gemeldet werden (https://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/UAW-Meldung/).

Fazit für die Praxis

Die rasche Suppression mit sehr starkem Abfall des iPTH ist ein vermuteter Pathomechanismus in der Entstehung einer Kalziphylaxie. Darüber hinaus sind weitere Fälle von Kalziphylaxie unter Etelcalcetid gemeldet. Dies macht einen Zusammenhang zwischen der Einnahme des Arzneimittels und der aufgetretenen Nebenwirkung zumindest wahrscheinlich. Verdachtsfälle von Kalziphylaxie nach Therapie mit Etelcalcetid sollten der AkdÄ mitgeteilt werden.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.

Literatur
  1. Amgen GmbH: "Fachinformation Parsabiv® 2,5 mg / 5 mg / 10 mg Injektionslösung". Stand: Februar 2019.
  2. Nigwekar SU, Thadhani R, Brandenburg VM: Calciphylaxis. N Engl J Med 2018; 378: 1704-1714.

vorab online

Dieser Artikel wurde am 15. Januar 2021 vorab online veröffentlicht.