Einführung zur 2. Version der 1. Auflage 2023
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
warum ist ein Leitfaden zur medikamentösen Cholesterinsenkung wichtig?
2020 wurden mit Bempedoinsäure und Inclisiran zwei neue Wirkstoffe zur Cholesterinsenkung zugelassen. Ihre Zulassung stützte sich allein auf die nachgewiesene Low Density Lipoprotein-Cholesterin(LDL-C)-Senkung. Basierend auf epidemiologischen Studien gilt ein erhöhtes LDL-C als wichtiger Risikofaktor für die frühzeitige Entwicklung einer Atherosklerose. Einige deutsche Fachgesellschaften und internationale Leitlinien definierten in den vergangenen Jahren immer niedrigere LDL-C-Zielwerte. Dabei wird häufig die Hypothese postuliert, dass pro 1 mmol/l LDL-C-Senkung eine relative kardiovaskuläre Risikoreduktion von 23 % zu erwarten sei.
Diese Assoziation ist jedoch überwiegend von Statinstudien abgeleitet. Die Studienergebnisse zu Ezetimib und den Proproteinkonvertase-Subtilisin/Kexin-Typ-9(PCSK9)-Hemmern wie zum Beispiel Alirocumab oder Evolocumab widersprechen einer Übertragbarkeit auf andere Lipidsenker: Sowohl bei Ezetimib als auch bei den PCSK9-Inhibitoren ist die relative kardiovaskuläre Risikoreduktion pro 1 mmol/l LDL-C-Senkung deutlich geringer als bei Statinen. Zudem sind die Cholesterinester-Transfer-Protein(CETP)-Hemmer ein Beispiel dafür, dass Lipidsenker trotz starker LDL-C-Reduktion keinen – oder sogar einen negativen – Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko haben. Es erscheint deshalb bei Lipidsenkern nicht möglich, vom Ausmaß der LDL-C-Senkung auf den klinischen Nutzen zu schließen.
Dieser Leitfaden möchte Ärztinnen und Ärzte dabei unterstützen, eine begründete Auswahl bei Lipidsenkern zu treffen. Dabei beschränkt sich der Leitfaden auf die medikamentöse Cholesterinsenkung zur Vorbeugung kardiovaskulärer Ereignisse. Nichtmedikamentöse Therapien und andere Indikationen der Lipidsenkung (z. B. Pankreatitis bei Hypertriglyzeridämie) werden im Leitfaden nicht thematisiert.
Der Leitfaden erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Autorinnen und Autoren diskutieren typische klinische Entscheidungssituationen, die charakterisiert sind durch 1. häufige Indikationen für eine lipidsenkende Therapie (z. B. KHK) und 2. gängige Vorbehandlungen (z. B. Statine). Sie legen einen Fokus auf Entscheidungssituationen, in denen unterschiedliche Fachgesellschaften zu divergierenden Empfehlungen kommen. So setzt sich der Leitfaden beispielsweise nicht mit der Frage auseinander, ob Patientinnen und Patienten mit KHK von Statinen profitieren, sondern untersucht, inwiefern sie von einer intensivierten Statintherapie profitieren. Neben verschiedenen Indikationen der Statintherapie wird der Stellenwert von Ezetimib, PCSK9-Hemmern und Bempedoinsäure diskutiert. In der 2. Version der 1. Auflage wurde das Kapitel zur Bempedoinsäure aktualisiert und klinische Überlegungen zur Statinintoleranz ergänzt. Außerdem wurde der aktuelle Review der U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF) von 2022 eingearbeitet.
Juli 2023
Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig