Zu den Aufgaben der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)
gehören die Erfassung, Dokumentation und Bewertung von unerwünschten
Arzneimittelwirkungen (UAW). Die AkdÄ möchte Sie regelmäßig über aktuelle
Themen aus der Arbeit ihres UAW-Ausschusses informieren und hofft, Ihnen damit
wertvolle Hinweise für den Praxisalltag geben zu können.
In der gemeinsamen Datenbank des Bundesinstitutes für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) und der AkdÄ finden sich 185 Berichte über UAW im
Zusammenhang mit der Anwendung Ginkgo-biloba-haltiger Extrakte (Stand
21.5.2002). Davon beziehen sich 20 Verdachtsfälle auf Gerinnungsstörungen.
In der Literatur ist schon lange bekannt, dass Ginkgo-Präparate
profibrinolytisch und antagonistisch zum platelet activating factor (PAF) wirken
(1). In verschiedenen Fachinformationen zu Ginkgo-biloba-haltigen Arzneimitteln
wird im Abschnitt "Nebenwirkungen" lediglich auf Einzelfälle von
Blutungen bei Langzeitanwendung mit unklarem Kausalzusammenhang hingewiesen.
Wechselwirkungen mit Arzneimitteln, die die Blutgerinnung hemmen, seien nicht
ausgeschlossen, wenn auch eine kontrollierte Studie über 7 Tage an 50 Patienten
mit einem Ginkgo-Spezialextrakt (240 mg/d) keinen Einfluss auf die
Blutgerinnung, auch nicht in Kombination mit Acetylsalicylsäure (500 mg/d),
ergeben habe.
Zubereitungen aus Ginkgo-biloba-Extrakten sind rezeptfrei erhältlich.
Derzeit zugelassene Indikationen sind neben Hirnleistungsstörungen auch Vertigo,
Tinnitus oder periphere arterielle Verschlusskrankheit im Stadium II nach
Fontaine (im Rahmen physikalisch-therapeutischer Maßnahmen). Die AkdÄ kam in
ihren "Empfehlungen zur Therapie der Demenz" (2) zu der Einschätzung,
dass keine Studienergebnisse vorliegen, die eine klinisch relevante Wirksamkeit
bezüglich der Parameter kognitive Defizite, Alltagsaktivität und klinisches
Gesamtbild hinreichend belegen.
Der UAW-Ausschuss der AkdÄ befasste sich in seiner 75. Sitzung mit dem
Thema Ginkgo biloba und Blutungen und kam zu folgendem Fazit: Patienten, die
Ginkgo-biloba-Extrakte einnehmen, sind offensichtlich gefährdet, bei
Operationen oder spontan (Organeinblutungen, zum Beispiel intrazerebral)
Blutungskomplikationen zu erleiden, besonders beim Vorliegen einer bis dahin
verborgenen vererbten oder erworbenen Gerinnungsstörung, beispielsweise dem
relativ weit verbreiteten und häufig nicht diagnostizierten Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom
(3,4). Eine erhöhte Blutungsgefahr ist auch gegeben, wenn der Patient andere
gerinnungshemmende Substanzen, insbesondere orale Antikoagulanzien (5)
oder
Thrombozytenfunktionshemmer erhält, wie zum Beispiel Acetylsalicylsäure. Da
der Personenkreis für die Indikation "Hirnleistungsschwäche" und
"Thrombozytenaggregationshemmung" jeweils vor allem ältere Patienten
umfasst, muss mit dem potenziell gefährlichen Zusammentreffen beider
Medikationen gerechnet werden. Somit ergibt sich die Notwendigkeit, vor der
Verordnung von Acetylsalicylsäure oder anderen blutgerinnungshemmenden
Arzneimitteln den Patienten zu befragen, ob er als Selbstmedikation
Ginkgo-biloba-Extrakte einnimmt. Vor einer Verordnung von
Ginkgo-biloba-Extrakten sollte im Rahmen einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung
eine eventuell erhöhte Blutungsneigung des Patienten, zum Beispiel ein
Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom, bedacht werden. Zumindest ist unbedingt eine
gezielte und gründliche Gerinnungsanamnese zu erheben.
Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle)
mit. Sie können dafür den in regelmäßigen Abständen im "Deutschen Ärzteblatt"
auf der vorletzten Umschlagseite abgedruckten Berichtsbogen verwenden oder
diesen aus der AkdÄ Internet-Präsenz www.akdae.de abrufen.
Literatur
- Chung K F, McCusker M et al.: Effect of a ginkgolide mixture (BN 52063) in antagonising skin and platelet responses to platelet activating factor in man. The Lancet 1987, Jan. 31; 248-250.
- Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Empfehlungen zur Therapie der Demenz; 2. Auflage 2001.
- Ang-Lee MK, Moss J, Yuan CS: Herbal medicines and perioperative care. JAMA 2001, July 11; 286 (2): 208-216.
- Vale S: Subarachnoid haemorrhage associated with Ginkgo biloba. The Lancet 1998, July 4; 352: 36.
- Izzo A, Ernst E: Interactions between herbal medicines and prescribed drugs: a systematic review. Drugs 2001; 61 (15): 2163-2175.