Niereninsuffizienz bei stationärer Aufnahme – ein unterschätztes Risiko für die Arzneimitteltherapiesicherheit?

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 4/2018

Abstract II-12

5. Deutscher Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie; Berlin, 18.–19. Oktober 2018

S. Seiberth1, D. Strobach1, U. Schönermarck2, J. Hasford3

1Klinikum der Universität München, Ludwig-Maximilians-Universität Apotheke, Marchioninistr. 15, 81377 München, Deutschland
2Klinikum der Universität München, Ludwig-Maximilians-Universität Medizinische Klinik und Poliklinik IV, Marchioninistr. 15, 81377 München, Deutschland
3Ludwig-Maximilians-Universität Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie, Marchioninistr. 15, 81377 München, Deutschland

Einleitung

Laut Literatur und eigenen Daten weisen ca. 20 % der stationären Patienten eine Niereninsuffizienz (NI) mit relativer eGFR < 60 ml/min/1,73 m2 auf (1;2). Eine aktuelle Studie zeigt, dass fast 3/4 der in Deutschland Betroffenen nicht von ihrer NI wissen (3). Dies stellt bei Einnahme von ‚Renal Risk Drugs‘ (RRD) einen Risikofaktor für die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) dar. RRD sind Arzneistoffe mit hoher renaler Elimination oder nephrotoxischem Potenzial, die bei NI in der Dosis anzupassen, mit Vorsicht anzuwenden oder kontraindiziert sind. Bei stationärer Aufnahme ist daher ein Screening der Patienten auf renale Risiken anzustreben.

Ziel war die Durchführung einer Beobachtungsstudie an der Schnittstelle ambulant-stationär zur Evaluation verordneter RRD, renaler Risiken und damit verbundener renaler arzneimittelbezogener Probleme (rABP) zur Verbesserung der AMTS.

Methoden

Screening von urologischen Patienten bei elektiver stationärer Aufnahme mit pharmazeutischer Arzneimittelanamnese über sieben Monaten auf NI (relative eGFR; CKD-EPI). Einschluss von Patienten ≥ 18 Jahre mit aktueller eGFR 15–59 ml/min/1,73m2. Umrechnung relative in absolute eGFR (ml/min) mit Körperoberfläche nach Mosteller zur Beurteilung der Medikation (4;5). Kommunikation von rABP durch schriftliche Arzneimittel(AM)-Konsile (inkl. Empfehlungen zur Dosisanpassung, Kontraindikation, Alternativen). Klassifizierung der rABP: manifestes oder potenzielles Problem; Art des rABP (Kontraindikation, Dosisanpassung notwendig, nicht optimales AM, Monitoring notwendig, AM-Interaktion mit weiterer Nierenfunktionseinschränkung, Zusatzinformation (z. B. postoperativ zu vermeidende Arzneimittel)). Ein positives Ethikvotum liegt vor.

Ergebnisse

Von 1923 Patienten (Alter Median 67 Jahre (18–97), 80 % männlich) hatten 358 (19 %) eine relative eGFR 15–59 ml/min/1,73 m2 und nach Umrechnung 274 (14 %) eine absolute eGFR 15–59 ml/min. Für 72 (26 %) dieser Patienten wurde ein schriftliches AM-Konsil erstellt. 128/1808 (7 %) Verordnungszeilen der 274 Patienten waren betroffen. Kommuniziert wurden 141 manifeste und 37 potenzielle Probleme: 18 x Kontraindikation, 49 x Dosisanpassung, 39 x nicht optimales AM, 64 x notwendiges Monitoring, 3 x AM-Interaktion und 4 x Zusatzinformation.

Diskussion und Schlussfolgerungen

An der Schnittstelle ambulant-stationär besteht Handlungsbedarf, um die AMTS für Patienten mit NI zu erhöhen. Ein Screening auf häufige RRD im klinischen Alltag durch Apotheker kann hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten.

Referenzen

  1. Kielstein J, Keller F: Pharmakotherapie bei Patienten mit chronischer Nierenkrankheit. Der Internist 2012;53(7): 802-809.
  2. Seiberth S, Strobach D. Niereninsuffizienz und Einnahme von „Renal Risk Drugs“ bei stationärer Aufnahme urologischer Patienten. Krankenhauspharmazie 2017; 38(2): 113.
  3. Girndt M et al. Prävalenz der eingeschränkten Nierenfunktion. Deutsches Ärzteblatt 2016; 113(6): 85-91.


  4. National Kidney Foundation, Frequently asked questions about GFR estimates. New York, 2014.
  5. Botev R et al. The clinician and estimation of glomerular filtration rate by creatinine-based formulas: current limitations and quo vadis. Clin J Am Soc Nephrol. 2011; 6(4): 937-950.


Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird von den Autoren verneint.