Aktives Screening elektronischer Krankendaten zur Erkennung und Objektivierung von Arzneimittelsicherheitssignalen: Beispiel Finasterid und Depression

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 4/2018

Abstract VI-06

5. Deutscher Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie; Berlin, 18.–19. Oktober 2018

M. Stapff

TriNetX, Inc. CMO, 125 Cambridgepark Drive, Ste 500, Cambridge, MA 02140, USA

Einleitung

Informationen über die Sicherheit und Verträglichkeit von Arzneimitteln kommen überwiegend von Spontanmeldungen, klinischen Prüfungen oder Literaturberichten und hängen damit stark vom Meldeverhalten der Ärzteschaft und der Industrie ab. Bei Spontanmeldungen fehlen üblicherweise Vergleichsgruppen.

Die zunehmende Digitalisierung im Gesundheitswesen erlaubt nunmehr ein aktives Screening von Gesundheitsdaten nach sicherheitsrelevanten Signalen und eine Gegenüberstellung mit Vergleichstherapie.

Zielsetzung

Anhand der Berichte (1) über Depression und Suizidgedanken unter der Behandlung mit Finasterid soll die Validierung von Nebenwirkungsmeldungen durch Daten aus der Anwendung in der medizinischen Praxis („Real World“, RWD) dargestellt werden.

Methoden

TriNetX ist ein wachsendes globales Forschungsnetzwerk. Durch den föderalen Verbund von 80 Gesundheitsorganisationen aus 12 Ländern (überwiegend USA, aber auch zwei deutsche Universitätskliniken) können online die Gesundheitsdaten von > 53 Millionen Patienten in „real time“ analysiert werden (Stand Juni 2018).

Die elektronischen Gesundheitsdaten von Patienten mit benigner Prostatahyperplasie (ICD10 code N40) und Finasteride Therapie (Fin) wurden mit denen mit einer Tamsulosin Therapie (Tam) verglichen. Die Kriterien waren: mindestens dreijährige Therapiedauer, keinerlei affektive Störungen (F30-F39) oder Suizidalität (R45.85) vor Therapiestart. Daten älter als zehn Jahre wurden ausgeschlossen. Outcome Kriterien waren: neu aufgetretene Depression (F32, F33) oder Suizidalität (R45.85) während einer Beobachtungsdauer von drei Jahren.

Ergebnisse

  • 2072 (2,8 %) von insgesamt 72.740 Patienten mit einer Fin Dokumentation und 12.666 (2,9 %) von 443.928 Patienten für Tam erfüllten alle Auswertungskriterien.
  • 91 Patienten (4,4 %) erlebten mindestens ein Outcome unter Fin, verglichen mit 1030 Patienten (8,1 %) unter Tam, (p < 0,0001; RR 0,54 (0,438; 0,666)).

Diskussion und Schlussfolgerungen

  • Das Dreijahresrisiko für eine erstmalige Depression oder Suizidalität war unter Tamsulosin signifikant höher als unter Finasterid.
  • Die Auswertung elektronischer Gesundheitsdaten (RWD) erfordert ebenso strenge Auswahlkriterien wie klinische Prüfungen, was die Anzahl auswertbarer Patienten in ähnlicher Weise reduziert.
  • RWD erlauben eine Validierung und einen Vergleich mit anderen Therapien in der medizinischen Praxis und ermöglichen somit eine Objektivierung von Spontanberichten.

Referenzen

  1. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Drug Safety Mail 2018-22, 17.05.2018 – Information zu Finasterid: Warnhinweis zu Depression.


Interessenkonflikte

Der Autor ist Chief Medical Officer von TriNetX, das in der Methodik erwähnte Forschungsnetzwerk.