Wie häufig betreffen Gegenanzeigen und Warnhinweise in deutschen Fachinformationen pädiatrische Patienten?

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 4/2018

Abstract II-15

5. Deutscher Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie; Berlin, 18.–19. Oktober 2018

S. Wimmer1, P. Christ2, W. Rascher1, A. Neubert1

1Universitätsklinikum Erlangen Kinder- und Jugendklinik, Loschgestraße 15, 91054 Erlangen, Deutschland
2Medizinische Medien Informations GmbH, Am Forsthaus Gravenbruch 7, 63263 Neu-Isenburg, Deutschland

Einleitung

Die Off-label-Anwendung von Arzneimitteln ist vor allem in der Pädiatrie weit verbreitet, wobei jüngere Patienten, wie Neugeborene, am häufigsten betroffen sind (1;2).

Die Fachinformation liefert wichtige Informationen zum Zulassungsstatus der Fertigarzneimittel. Diese Analyse untersucht wie häufig deutsche Fachinformationen Gegenanzeigen und Warnhinweise für pädiatrische Patienten enthalten und somit die Anwendung in diesen Altersgruppen einschränken.

Methoden

Alle in Deutschland verfügbaren Fachinformationen zu Humanarzneimitteln (n = 13547 für 22.863 Präparate) wurden durch die Medizinische Medien Informations GmbH (MMI) strukturiert aufbereitet und der Kinderklinik Erlangen zur Verfügung gestellt. Die Abschnitte 4.3 Gegenanzeigen sowie 4.4 Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung wurden nach pädiatrischen Altersangaben durchsucht und nach Altersgruppen, ATC-Gruppen und Applikationsweg ausgewertet.

Ergebnisse

Für 9687 (42,4 %) der Präparate lagen für eine pädiatrische Altersgruppe eine Gegenanzeige und/oder ein Warnhinweis vor. Eine Gegenanzeige kam bei 3603 (15,8 %), ein Warnhinweis bei 6677 (29,2 %) der Präparate vor.

Gegenanzeigen waren bei Patienten im ersten Lebensjahr besonders häufig (3584 Präparate) und nahmen mit zunehmendem Alter ab (12 Jahre: 1093 Präparate, 17 Jahre: 753 Präparate).

Insbesondere bei Kontrastmitteln (89,0 %), Husten- und Erkältungspräparaten (86,2 %) sowie Corticosteroiden (topisch 88,2 %, systemisch 86,6 %) wurden Gegenanzeigen und/oder Warnhinweise für pädiatrische Patienten gefunden.

58,2 % der flüssigen Arzneimittel wiesen Gegenanzeigen und/oder Warnhinweise für pädiatrische Altersgruppen auf.

Diskussion und Schlussfolgerungen

Fast die Hälfte aller Fachinformationen beinhaltet Gegenanzeigen bzw. Warnhinweise für pädiatrische Patienten. Neugeborene und Säuglinge, die für Fehldosierungen am anfälligsten sind, sind am häufigsten betroffen.

Da im Kindesalter Infekte der oberen Luftwege sehr häufig sind, überrascht es, dass Husten- und Erkältungspräparate so häufig Gegenanzeigen oder Warnhinweise für Kinder enthalten. Gleiches gilt für flüssige Arzneimittel, die gerade bei kleineren Kindern relevant sind.

Es ist davon auszugehen, dass bei den meisten Präparaten kaum echte Kontraindikationen aufgrund altersbedingter pharmakodynamischer oder -kinetischer Besonderheiten vorliegen, sondern – wie früher fälschlicherweise üblich – Gegenanzeigen aufgrund fehlender klinischer Studiendaten oder geeigneter Arzneiformen ausgesprochen wurden.

Referenzen

  1. Mühlbauer B, Janhsen K, Pichler J et al.: Off-label-use of prescription drugs in childhood and adolescence: an analysis of prescription patterns in Germany. Dtsch Arztebl Int 2009; 106: 25-31.
  2. Knopf H: Arzneimittelanwendung bei Kindern und Jugendlichen. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 2007; 50: 863-70.


Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird von den Autoren verneint.