Arzneimitteltherapiesicherheit an der Schnittstelle Intensiv-/Normalstation – Ist Medication Reconciliation die Lösung?
Abstract I-20
5. Deutscher Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie; Berlin, 18.–19. Oktober 2018
C. Sommer1, S. Kluge2, M. Baehr1, C. Langebrake1
1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Klinikapotheke, Martinistr. 52, 20246 Hamburg, Deutschland
2Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Klinik für Intensivmedizin, Martinistr. 52, 20246 Hamburg, Deutschland
Einleitung
Strategien zur Risikovermeidung von Medikationsfehlern (MF) bei Verlegung von Intensiv- auf Normalstation sind bisher kaum untersucht. Wenige Publikationen beschreiben die Vermeidung diskrepanzbezogener MF mittels Medication Reconciliation (MedRec). Dabei bleiben jedoch die klinische Relevanz der MF und vermeidbare unerwünschte Arzneimittelereignisse (vUAE) unberücksichtigt.
Aufgrund seiner hohen Transparenz eignet sich der durchgehend elektronische UKE-Medikationsprozess hervorragend zur Beantwortung der Fragestellung.
Methoden
Aus der elektronischen Patientenakte wurden alle Arzneimittel von Patienten, die von einer Intensiv- auf eine Normalstation im UKE verlegt wurden (9/10 2016) retrospektiv erfasst. MedRec und eine Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit wurden nach definierten Algorithmen durchgeführt. Die Bewertung der MF und vUAE erfolgte nach den validierten Algorithmen des National Coordinating Council for Medication Error Reporting and Prevention (NCC MERP) in Konsensbildung durch Fachapotheker und Fachärzte. Die Datenauswertung erfolgte deskriptiv.
Ergebnisse
1000 Patienten (Median 66 Jahre, 17–96 Jahre) mit im Median 8 (1–21) Arzneimittelverordnungen wurden nach NCC MERP klassifiziert. Bei 49,9 % der Klassifizierungen lag kein MF vor (Kategorie A), sondern klinisch begründete Diskrepanzen. Von den vUAE (11,8 %, Kategorie E-I) fanden sich 77,4 % in der Schmerztherapie. Als weitere Handlungsfelder mit hoher klinischer Relevanz wurden das Delir-Management (3,6 %), akutes Nierenversagen bei Überdosierung von Vancomycin und Gentamicin (1,8 %) Hydrochlorothiazid-induzierte Hyponatriämien (1,6 %), sowie Arrhythmien bei Ciprofloxacin- und Amitriptylin-Therapie (1,1 %) identifiziert.
Diskussion und Schlussfolgerungen
Da durch MedRec identifizierbare Diskrepanzen zu 50 % keine MF waren, ist MedRec zur Reduktion von MF und vUAE an der Schnittstelle Intensiv-Normalstation im closed-loop-Medikationsprozess nicht effektiv. Stattdessen erfolgen neben Schulungen gezielte pharmazeutische Interventionen zu den identifizierten Handlungsfeldern, welche in einer quasiexperimentellen Studie im Pre-Post-Test-Design aktuell evaluiert werden.
Interessenkonflikte
Ein Interessenkonflikt wird von den Autoren verneint.