Der AkdÄ wurde ein Fall eines auf generalisierten Koronarspasmen beruhenden Herzinfarkts gemeldet. Die Koronarspasmen traten kurze Zeit nach erstmaliger Anwendung eines rezeptfrei erhältlichen Kombinationsarzneimittels, das Acetylsalicylsäure und Pseudoephedrin enthält, auf. Der Patient wurde intensivmedizinisch betreut und erhielt mehrere Stents. Pathophysiologisch ist der Zusammenhang der Koronarspasmen mit der Einnahme von Pseudoephedrin plausibel. Pseudoephedrin ist ein indirektes Sympathomimetikum, das Noradrenalin aus sympathischen Nervenendigungen freisetzt (1). Der vasokonstriktive Effekt von Pseudoephedrin kann zu erhöhtem Blutdruck und Vasospasmus führen (2, 3) und hält lange an.
Pseudoephedrin wird allein oder kombiniert mit anderen Wirkstoffen angewendet zur symptomatischen Behandlung von Schleimhautschwellungen der Nase und Nebenhöhlen bei Rhinosinusitis sowie allergischer oder vasomotorischer Rhinitis (4). Die Anwendung erfolgt oral, die Arzneimittel sind in Deutschland rezeptfrei in der Apotheke erhältlich („over-the-counter“, OTC) (5).
Zu den bekannten Risiken Pseudoephedrin-haltiger Arzneimittel gehören kardiovaskuläre Nebenwirkungen wie Hypertonie, Arrhythmien, Herzversagen, hämorrhagischer Schlaganfall sowie ischämische Ereignisse wie transitorisch-ischämische Attacke, Myokardinfarkt, Hirninfarkt oder ischämische Kolitis. Sie sind in unterschiedlichem Ausmaß in den Fachinformationen beschrieben (6).
Kürzlich wurde in einem EU-weiten Risikobewertungsverfahren das Risiko eines posterioren reversiblen Enzephalopathie-Syndroms (PRES) und eines zerebralen Vasokonstriktionssyndroms (RCVS) im Zusammenhang mit Pseudoephedrin bestätigt (6). Pseudoephedrin-haltige Arzneimittel sind daher kontraindiziert bei Patienten mit schwerer oder unkontrollierter Hypertonie sowie bei schwerer akuter oder chronischer Nierenerkrankung oder Nierenversagen (4).
Auch vermeintlich harmlose, rezeptfrei erhältliche Arzneimittel können schwerwiegende Nebenwirkungen verursachen. Gerade angesichts des rein symptomatischen Charakters der Behandlung mit Pseudoephedrin bei nicht schwerwiegender Indikation („verstopfte Nase“, Rhinosinusitis) sollten Patientinnen und Patienten sorgfältig über Nutzen und Risiken aufgeklärt werden.
Literatur
- Neumann J, Hußler W, Hofmann B, Gergs U. Contractile effects of amphetamine, pseudoamphetamine, nor-pseudoephedrine (cathine), and cathinone on atrial preparations of mice and humans. J Cardiovasc Pharmacol 2024;83:243-250.
- Lafaurie M, Olivier P, Khouri C, Atzenhoffer M, Bihan K, Durrieu G, Montastruc J-L. Myocardial infarction and ischemic stroke with vasoconstrictors used as nasal decongestant for common 76(4):603-604. doi: 10.1007/s00228-019-02807-w.
- Laccourreye O, Werner A, Giroud J-P, Couloigner V, Bonfils P, Bondon-Guitton E. Benefits, limits and danger of ephedrine and pseudoephedrine as nasal decongestants. Eur Ann Otorhinolaryngol Head Neck Dis 2015;132(1):31-34. doi: 10.1016/j.anorl.2014.11.001.
- Pseudoephedrin: Mögliches Risiko für posteriores reversibles enzephalopathiesyndrom (PRES) und reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom (RCVS). Rote-Hand-Brief; 15.2.2024. Verfügbar unter: https://www.akdae.de/fileadmin/user_upload/akdae/Arzneimittelsicherheit/RHB/Archiv/2024/20240215-Pseudoephedrin.pdf.
- Lauer-Taxe [Stand: 15.11.2024]. Verfügbar unter: https://portal.cgmlauer.cgm.com.
- European Medicines Agency. Referral under article 31 of directive 2001/83/EC resulting from pharmacovigilance data – pseudoephedrine-containing medicinal products. Assessment report. EMA/89241/2024; 30.11.2023. Verfügbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/documents/referral/pseudoephedrine-containing-medicinal-products-article-31-referral-assessment-report_en.pdf.